DEZ.2012 AFFRONT
„War draußen …“. Die Blässe in deinem Gesicht verrät mir den Ernst der Lage. Du Naseweis hattest mich schon abgeschrieben. Ich streiche dir übers Fell und erstatte Bericht. Erste Person Singular, Gegenwart – so verlangt es die Uniform: Ich trete hinaus. Links, zwo … Frostwind … dreieiei … der gleiche Schritt lässt mich schlittern. „Ein gutes Zeichen dafür, dass es zugig in eine Richtung geht …“ führe ich mich selbst aufs Glatteis. Ich streue mir Sand in die Augen, weiß ich doch. Kaufland lässt sich nicht so einfach einnehmen. Ich nestle mir am Kragen. Halsabschneider. Ein Schalatan – wer heut nicht gut betucht. Hinein ins Getümmel … Ich schlage mich durch die Gänge. Vorbei an Quark und Sauce. Packeisern passiere ich süßen Brei und Honigkuchen. Krawallerie. Ein 5jähriger brüllt einen Querschläger, will eine Milchstraße. Versucht es mit Schmerzmine und Tränengas. Mutti twixt ihn aus. Pieppiiiiep … mein Funkgerät fordert Nachschub an: „Bring Bombons mit“. Roger. Ich durchlaufe schnell eine Mettarmorphose an der Fleischtheke. Hackfressen auf Pump – ein Vegetabledance mit Magendrehung beendet meine Laufsteakkarriere. Raus hier! An der Kasse singen Paul Haber und Kain Ende einen Kanon. „Heho spann den Wagen an.“ … in Reihe angetreten. Ein Einkaufswagner zwingt mich in die Knie und erntet einen Lohengrins. „Haben sie‘s nicht …“ unterbricht mich „Frau Evi Cent“ steht auf dem Schutzschild. Es geht immer noch kleiner. Ich mustere meine Börse. Schlechte Anlagen. Panzerfaust spaltet des Pudels Atomkern. Nichts als Schein. Splitterfasernackt schwenke ich die weißen Wimpel. „PROSTitution!“ stoßen die Schlachtenbummler an meine Grenze. Das Echo bleibt aus. Ich bin es leid. Ist das hier etwa mein Kampf? „Jeder nur ein Kampf“ scheppert eine Stimme aus dem Niemandsland. Mein lieber Herr Gesangsverein, in Bollywood herrscht wohl wieder eitel Sunset Boulevard. Erheitert trompeten wir ein Weillchen über Strateegie und Gebäckomposition. Jeder wählt sein Bündel selbst. „Der Tütenweg bleibt eine Sackgasse“ lassen wir’s bewenden. Ich schultere das Gewähr. Pieppiiiiep – du wartest auf ein Lebenszeichen: „Krieg Hunger, wo bleibst’n?“ Over and Out. Standortbestimmung: Parkallee/Behind the Wallstreetwarenhaus. Rückzug. Ich reite vom Schlachtfeld, sprenge Brücken, fülle Wassergräben und schließlich ein Tor. „Na endlich!“ du stehst mit Handgranatäpfeln an der Hüfte im Korridor. Schnell versichere ich: „War nur draußen!“
NOV.2012 TATWORT
Auf dem Wörtchen sitzend, grüble ich, wie ich es wohl beschreiben könnte, falls du mich fragtest – gleich, bei Kaffeesatz und Spiegelei. So ein Sonntagmorgen fühlt sich … hmm … leicht, gelöst, … , leergut an. Kommissar Wortwahlander hätte jetzt ganz sicher einen Verdacht, Egon wenigstens einen Plan. Ich habe Pomade aus Bergisch Glattbach. Das Wort was ich meine, ist so ähnlich – ja, aber mit diesem Eloquentchen Tarantino, mit dieser Prise DUWEISSTSCHON, mit diesem Hauch AUCH, und ein wenig HMMM ist auch dabei. Kurz – Das Wort DAFÜR gibt es nicht. Undermberg krautzifix nochamoal. Es reicht noch nicht mal fürs Eingemachte und da fängt die miese Wortschaftslage erst an. „Nur weil du ein Buch auf dem Klo hast, ist es noch nicht gleich ein Lehrbuch.“ bringst du es auf den Punkt. Rollwahre. Seitenweise. Saitenwaise. Auf die Betonung kommt‘s hier nicht an. Wohl eher auf Rahmen, Stimmung und Resonanz. Das Wort bleibt gutgemeintes Gemeingut … Zeit, aufzustehen. Polarexpress. Kaltgepresst. Zurück zu Tisch. Nachdem ich mich zurechtgeruckelt, das Brötchen quer zur Backrichtung aufgeschnitten und das Butterkrümelmesser im Honig versenkt habe, trifft mich dein Augenniederschlag. Grinsend gibst du zu. Ich nehme an. Wortlosverwandt. Natürlich wird ein Großteil der Kommunikation weiterhin ausgesbrochen. Informationsaustausch nennen wir das Gerede. Nur das Essenzielle will nicht artikuliert werden. Das Wort – Fassung für die Dinge „an sich“. Der Käfig fürs goldene Ei. Ich zwinge die unwiderleglich wirklich wahre Eigentlichkeit in eine – meine – Form. Halbiere sie in Gedanken, vierteile sie durch das Wort. Zwischen Ein- und Ausdruck versteckt sich immer noch die Ente. Jägerlatein. Mundtot gemacht und ausgeweidet bleibt nicht viel vom … – genau jetzt … fehlen mir wieder die Worte. Fassungslos schlägt das Ungeheure den Boden aus. Unsagbar. Ungesagt. Frei. Namenlos … noch. Verlies es nicht. Lass es sein. Zwischen den Worten geben wir uns Raum. Leerzeichensprache. Wenn sich jeder verantwortlich fühlte, würde womöglich weniger schwadroniert. Schweigen – wie auch könnte ich dieses … umschreiben, wenn ich dich dabei beobachte, wie du schnaufend aus deinem Sitz krabbelst. Versuchte ich es, endete es metaphorisch: deine lumpenbestrumpfte Lieblichkeit rockenrollt sich mit der ambiwalenten Gewandtheit eines Beutelmakaken aus der Tischdeckung. Grundzend vermeide ich Blickkontakt.
OKT.2012 ENDSTATION SEINSUCHT
Fensterplatz. Eilig eil ich. Ein Gedanke kreist über mir. Ein anderer krächzt aus dem Hinterland. Federn und Launen: lassen – ließ – gelassen. Fahl spiegeln sich Himmel und Teufels Küche. Rauchzeichen von gegenüber „+++ Mit Verlaub + Stop + es ist Herbst + Stop +++“ – Blattschuss! Wenn ich manchmal in selbstgewählter Stille meinen Tee trinke, fühle ich mich wie eine Gedankenbahnstation. Ein Kommen und Gehen hier. Vorsicht an Gleis 11. Erinnerung fährt ein. Der Zug mit dem Namen DE1986 hält. Ein Kind drückt sich das Gesicht an der Scheibe platt. Nimmt sie in Beschlag. Kleinefingerübungen. Jemand kneift mich. Abfahrt! kreischen die Bremsen. Lokmotiviert trete ich zu weit zurück. HUSCHHH … überrascht mich ein Spielzug. Die Bahnhofsuhr schlägt doch 13. Pendelverkehr. Ein Auszug wirft mich aus der Bahn. In der Entfernung erkenne ich noch schnell das Fahrtziel: ELAL2o25. Das Vielleichtmalich verwischt zur Grimmasse – Volksmärchen. Possibles, Orbs und Quanten fragen mich tatsächlich, ob wir einen Tanzwagen? BSSSSSD … Zurück an der Steigkante – ein Güterzug quetscht sich durch. Materialwagenanwagen. Achslast ist aller Laster Anfang. Haltung bewahren und keinesfalls abstempeln. Langsam wird’s mir zu bunt … ein Umzug stellt meine Innereien zur Schau … Speisewagen: Hungerkunst heut abendmal mit Varietee. Schlafwagen: Fool of Love – narrensicher abgeteilt. Zirkuswagen: alles ist möglich – Schaffner schaffen, Kontrolleure kontrollieren, Heizer verkohlen, Schienenarbeiter entgleisen … scheint ein Charakterzug zu sein. Unbesteuert hängt der Vollzugführer am Gras, Sucht die Notbremse. Kreisekrank blicke ich im Rund. Wer hat hier eigentlich die Oberaufsicht, Schwester Hildegard? Insideout – ein transParent rauscht durch „CONTROL“. Lass mal’n Zug aus …. Pffffft … Sackgasse. Holy Smoke – ick gloob, ick hab ne Erscheinung: ein Atemzug wirft mir einen Luftikuss zu. Einfürallemal: der Verkehr kann mich mal Andreaskreuzweise. Die Weichen sind gestellt. Achsenzuckend erkenne ich den Bezug: alte Fahrpläne an uralten Mauern. Wir sind verwandt. Die Form trennt den Inhalt. Staub spinnt Lichtschranken. Schalterfindung – Signal kommt. Nach Abzug aller Einheiten bleibt … Nichts. Planlos eröffnet sich der Raum. Ich ahnte es: Die Gleise führ’n im Kreise. Da kann ich ja getrost gehenlassen. Aaah … Fensterplatz, Frottee und später Bettbezug … Wie durch Plexiglas höre ich noch: „Achtung, IDE fährt durch“ und Zzzzzzzzzz ….
SEPT.2012 MAUSTROPHOB
Ist es möglich, dass ich nicht allein bin in meinem Wagen? Es ist nicht nur denkbar, sondern höchstwahrscheinlich. SIE verrät sich in der Tat. SIE hinterlässt mir Krümelkreis-Botschaften. Aber was fange ich mit der Schwarzfahrerkenntnis an? Diese kleine Unregelmäßigkeit bringt mich an die Grenze des Wähnsinns. Jedes mir bekannte Mittel versagt. SIE fährt immanent mit. Kontrollverlustig sehen wir uns an. „Einlochen“ sagst du. Präsentimental (und das ist kein Geschenk) denke ich an kommende Wintertage. Hat SIE sich erst einmal gebettet, bleibt SIE bis März … oder für immer … Ich vermute, wir haben SIE seit unserem Ausflug in die Pampa an Bord. Da, wo sich Seelachse und Horizontaale kreuzen. Wo sich der Himmel teilt, sich aufbäumt, sich verläuft … und dazwischen Schilfgrassinfonie. Da, wo der Ommmnibus hält, wenn man den Stein rollen lässt. Eben da … steigt der eine aus – der andere ein. Ich stelle mir IHRE schwarzen Augen vor. Schlank kann SIE nicht sein, sie riegelt sich seit Tagen mit Schokolade ein. In den Socken, die zum Trocknen im Frontfenster ausliegen, lagert sie Sonnenblumenkerne. Was hat sie vor – Kernfusion? Ich werde den Wagen vorerst im Schatten parken. Das wird mir zu heiß. Obendrein habe ich den Eindruck, der Bulli rollt schneller. Möglicherweise läuft der Motor ja jetzt mit 90 PS + 1 MP** oder es geht bergab? Vielleicht sind SIE ja auch zwei? … oder SIE ist größer als angenommen? Ratpaket. Die Sendung mit der Maus. Aah – die Post erhöhte wieder einmal die Preise und SIE ist nicht ausreichend frankiert. Staatenlos zwischen Mecklenburg und Sachsen-Anhalt … ich halte viel von kontrollierter Konfusion – aber was hat SIE in meiner Kirche zu suchen? Genug. Ich halte Mausschau: Fallstrick, Scanner, Bewegungsmelder, Wärmebildkamera, Staubsauger, Empfangskommietze … SIE ist nicht zu fassen … wie kann ich SIE in meiner Welt materialisieren? IHRE Fettlebe muss ein Ende haben. Fettlebe? Fettnäpfchen! Dann spurt sie wenigstens durch ihre Trapsen. Verzweifelt gibt mein Verstand den Geist auf … scheint mir Kirlianfotografie einziger Lichtblick zu sein … Hochspannung! Flux den Wagen elektrisch geladen und das Geschirr angelegt. Als Isolator benutze ich Omas Untertassen. PotzBlitz. Fühle mich wie in einer Trilogie aus den 80ern. Es handelt sich doch hier um einen faradayschen Käfig, bin ich mir sicher? Hmm … wer sitzt denn hier eigentlich in der Falle?
AUG.2012 LIQUIDNATION
LOS! Ich stoße mich vom Brett ab und … werde ich seine glatte Haut durchdringen oder pralle ich ab? Eine Frage, die sich stellt, sooft ich das Risiko suche. Die Oberflächenspannung zerreißt mich fast. Der Luftwiderstand erhitzt meine Schutzschicht. Bereit zum Eintritt in … die Seeebene wogt und krümmt sich unter meiner Schwere und …, nein, sie reißt nicht. Sie atmet mich ein. Sie nimmt mich auf und mir meine Schwere ab. Wir vermengen uns. Wabern. Bedenkt man, dass auch ich zu zwei Dritteln aus Wasser bestehe, scheint unser Übergang fließend. Na klar, auch das Stick-/Sauerstoff-Gemisch da draußen umgarnt mich – vor allem bei hoher Luftfeuchtigkeit – aber längst nicht so gefällig wie dieser Pfuhl. Ich tauche unter. HUI. Warum nicht? Ich sehe meine Pfannen und Töpfe in einem Gel-Schrank verschwinden. Blubbb. Ohne diesen ganzen Luftzirkus drum herum würde alles viel weniger Platz einnehmen. Der Kühlschrank hätte die Größe von 2 Wasserflaschen, einem Käse und drei Eiern. Schon von weitem könnte ich an seinen Abmaßen erkennen, ob mein Weg mich heute zum Supermarkt führt. Der Kofferraum des Wagens würde sich der Zuladung anpassen. Während ich mit meinem Truck am Atlantik Ferien machte, würde meine Wohnung nur halben Raum einnehmen. Elasticworld. Alles in Bewegung. Die Vase schmiegte sich um die Lösung. Die Form folgte dem Inhalt. Der Spielraum würde vielleicht in flexiBel gemessen. Voluminus – the new Minimalism. Auftreibend lausche ich dem Klang der Zukunft. Es ist nur eine Frage der Zeit, ich werde weich. Auf Augenhöhe mit der Lösung verschwinde ich. Diffus strickt mir das Schilf ein Muster auf den See. Was wollte ich noch gleich … der rote Faden verliert an Spannung. „Maschinen stop“. Die Geräuschkulisse fällt. Stille. Nur der Wind rauscht. Es lebte sich um Wellenlängen ruhiger, würde man Frequenzen separieren und … umleiten … Kindergeschrei zum Beispiel. Wem, außer Mama, gilt der „Milchruf“? Also warum nicht ein Babyphon, dass das HUÄÄÄ aus der Atmosphäre isoliert und es direkt zur Mutti portiert? Stillen! Auch die Geräuschverursachungspein auf Toiletten wäre so gelöst – Absorber einschalten und ungehört pinkeln. Wohin aber mit dem ganzen abgesaugten Krach? Der müsste natürlich wie jeder andere Müll im Weltall entsorgt werden. Möglich wäre auch eine Art Tontrennung. Die Wellen würden im Tonklärwerk gereinigt werden. „Saubere“ Töne gingen zur Wiederverwertung direkt an die GEMA. Tonintoni würde so gebührend sparen. Übrig bliebe: Stille – welch Luxus – und die könnte, endlich, auch besteuert werden.
JULI.2012 ODO FRÖHLICHE!
Im gestreckten Galopp radle ich durch den Wald. Bäume links und rechts bis zum Ende meines Blickes. Ich werde schneller, der Wald öffnet sich nach oben. Alles dreht sich. Staunend verliere ich den Kopf. Wir sind aus dem selben Holz. Ich bin gar nicht ich. Über mir kreisend sehe ich mich den Achilles an der Ferse meucheln und erkalten mit seinem Blut. Ich erstarre unter den Schlägen des Schmiedes. Ich scheue unter Dschingis’ Schenkeldruck. Die Flanke schmerzt. Meine Mähne weht im Sturm Bata Illics, mein Gesang zerschellt Schiffe an den Felsen des Rheins. Von nix kommt nichts. Ich brande im Nordwind. Golden erstrahle ich im Licht der neuen Sonne. Widerkäuend wandere ich durch Mägen und Mägde schöpfen mit nackten Händen aus mir. Fließende Gewänder reißen mich in Fetzen. Ölgetränkt leuchte ich dem Bodhi, finde Gefallen am Wegerecht. Pappelfeige fliehe ich vor den keltischen Horden, male Kohlraben an Höhlenwände, stehe im Wald. Jahresringend verholze ich zu Steinformationen und zerfalle. Staubendlich entweiche ich durch die Atmosphäre, bereichere mich am All und immer weiter, weiter. Ich bin gar nicht ich. Ich bin all das schon immer gewesen. Ich werde alles sein. Milliarden Jahre. Ich bin Odo – Formwandler. Ich fliesse. Ich bin Energie. Ich bin – und diese Erkenntnis trifft mich bis ins Mark – Universum. Ich bin Quark im Schaufenster. Ich bin dieses ganze verdammte All, Alles und ich bin – und meine Atome singen zusammen im Chor „Freude schöner Götterteilchen …“ – Urknall. Energie geht nicht verloren. Der Gedanke weitergedacht macht mir Gänsehaut – enthebt mich dieses Wissen doch jeder Verantwortung. Ich bin frei. Der Planet, unsere ganze kleine beschränkte Welt – Energie – ich radle in sie hinein. Idyllisch schlingelt sich der Weg vor meinem Rad. Sonne und Wind im Gesicht, sinne ich über die Unmöglichkeiten, alle diese Energie nutzbar zu machen. Jetzt und hier. Wäre der Gegenwind in Sog umwandelbar? Zöge ich mich selbst auf. Ich verteufele meine Inaffinität zur Physik. In meinem kleinen Kino laufen Filme von Strömungskanalisation durch Rahmen, Gabel und Speichen. Halbdurchlässige Membranen. Energiebündelung, Turbinenantrieb, eine kleine Batterie in meinem Fahrradkörbchen … Windenergiewandler. Windler. Ich – Wechselbalg im Evolutionsmotor? Oder auch nur Heidschnucke auf der Weide einer anderen Spezies: „Häns-Dieter, streck deine Finger heraus, damit ich fühle ob du bald fett bist“ … hmm, bald 8 Milliarden – Erntezeit.
JUNI.2012 SCHELLEN!
Die Glocken läuten nicht mehr. Ich öffne das Fenster. Sonntag Morgen, neun Uhr. Jetzt sollten sie … Ich warte. Vielleicht hat sich der Glöckner verspätet, verschlafen oder die Gebetsstunde wurde verschoben? 10 Uhr. Nichts. Hat der Wind gedreht? Ist die Luft dünner geworden? Läuten sie vielleicht, erreichen mich nur nicht? Hat GOTT volles Haus und die Klingel auf stumm? Vielleicht hat er auch nach langem Bitten die Einladungen an mich eingestellt. Hat mich aus dem Glockenfrequenzbereich genommen. So muss es sein. Und wenn dem so ist, dann – KLICK: „Unsichtbare Zeichen einblenden“. Ich durchkämme die Harmonie nach Spannungsspitzen. Ein Augenschlag, ein Widerhaken, ein Bodensatz. Winzige Ausbrüche aus dem Toleranzbereich. Unsymmetrische Belastung führt selbstredend zum Kurzschluss. 11 Uhr. Ich zweifle an meiner Wahrnehmung. Höre ich nichts oder ist nichts zu hören? Ich erde mich und lege das Ohr auf die Schienen. Wäre GOTT eigentlich für „uns“? Und wer sind eigentlich „wir“? WIR – ein ganzes Leben lang Unperson en masse um dann zum Schluss einen individuellen Strich aufs Grab zu setzen. Ein letztes Aufbäumen vor der Versteinerung. Wir laufen durch die Reihen. Kein Stein gleicht dem anderen. Jeder hier hat sich noch ein kleines bisschen aufgehübscht an der Schwelle zur Ewigkeit. Da beißt man sich auch gerne noch mal die Goldzähne aus und ein Eckchen aus dem Grabmal um dem Anrainer nicht zu gleichen. Monumentmal! So wird man sich schließlich die nächsten Jahrzehnte präsentieren. Nach Jahrtausenden, nach „FÜR IMMER“ steht hier der Wunsch. In Stein gemeißelt: „ICH war HIER, ICH bin HIER!“ Eine letzte Signatur. Eitelkeit ist zeitlos. Und Gloria wahrt den Platz an GOTTs Seite. Jetzt – ich glaube etwas zu hören. Glaube ich? Nein, ich irre, meine Musicbox spielt sich auf mit Faithless. Hoffentlich hat GOTT ein Klingeln im Ohr – ich übermittle meine Beschwerde per Knopfdruck. Oder ist diese Ruhe … Resignation? 12 Uhr. GOTT hat eine lange Leitung. Ich auch. Schwarz-weiß spiralverdrahtet. Bei „unentschieden“ gewinnt das Haus? Ich rauche auf. Der Mohn und das Gedächtnis. Vernebelt steht der Herr in der Tür und fragt: Glaubst du mir jetzt?
MAI.2012 GEODÄTE!
Da rennt sie. Verwundert sehe ich ihr nach. Wohin so eilig, junge Frau? Es ist unglaublich früh. Ich wäre nicht wach, wenn ich nicht gerade heute die wichtigste Person der Welt, DAS elementare Lebewesen des Universums wäre. Niemand hat mir das sagen müssen, ich weiß es einfach. Ohne mich geht nichts. Heute nicht und morgen nicht und übermorgen Königin. Ich brauche keine Beweise. Und schon gar nicht den, dass mein Kaffee mich nur als Zentrum anerkennt, wenn ich mich ihm unterwerfe … ich laufe … der Weg durch die Felder, die Figuren am Wegesrand, die wüste Einöde der verlassenen Kolonie, das Kiesförderband … Alles wartet auf mein Erscheinen … das ist meine Welt und ich habe eine Aufgabe zu erfüllen. Ich habe zu tun! Ohne mich wird dieses Heft hier nicht in die Druckerei gehen. Ohne meinen Einsatz wird die Wirtschaft zusammenbrechen. Und was bitte wäre der Raum ohne mein Werk? Ich werde Spuren hinterlassen … also los … auch Diagonalen sind gerade Wege. Der Turm ist nur ein paar Tagesmärsche entfernt. Ich stelle mir vor, wie es wäre, Springer zu sein, Felder auszulassen. Vor, zurück, zur Seite, ran … die Mitte – Ursprung und Absprung. Ich läute die Glocken. Rochade ist was für Angsthasen. Springer, Läufer … Dame müsste man sein … allerdings wäre ich so oder so … brettgebunden. Scheibenhorizont. Zugführerlos frage ich mich: Schlachte ich weiter ab oder lasse ich mich schlagen? Rossopfer … und dann? Jenseits des Spielbretts? Eden eben …. aber nein, auch hier greift die Hand nach mir. Neues Spiel! Die junge Frau hat inzwischen die Grenzen ihres Raumes erreicht. Flippert ohne Zögern oder Staunen gegen die Wand und kommt mir nun mit scheint’s doppelter Geschwindigkeit entgegen. Wichtigkeit in Ihren Augen. Ihre 6 Ameisenbeine rotieren im Schleudergang. Ohne sie geht hier nichts … der Weg durch die Felder, die Figuren am Wegesrand, die wüste Einöde der verlassenen Kolonie, das Kiesförderband … sie rennt … sie läuft … sie geht Geschäften nach … und übermorgen Königin … wenn sie sich doch nur sehen könnte … ihre kleinen Trapsen im Staub meiner Dielen … das bisschen wirbelnde Luft … mein Kaffeefleck … ich lache mich aus. Kreiselentkräftet verschwindet die Kleine in einer der Ritzen zwischen den Brettern … die Kunst der Zentrifuge … zum Götzendienst … oder zur Unterverwandlung? Was weiß ich schon?
APR.2012 … MEHR WEIN‘!
Das Wasser liegt glatt. Die Sonne verschwindet angenehm temperiert in einem Hauch rosa. Mein Auge wird feucht. Ekelhaft! Diese Idylle greift sich mein Eisherz und tropft es ins Hafenbecken. Rot planscht es einen kleinen Kreis. Diese zufriedenen Spaziergangster haben mich auf dem Gewissen. Glück und Langeweile gehen Hand in Hand. Mein Augenwinkel trocknet in einer kleinen Salzlache. Die Schalheit der Krustentiere. Ich drehe mich in den Wind. Genug abgestanden. Ich habe wichtigeres zu tun. Energieoptimierung! Wie kann ich diese klitzekleine Fläche nutzen? Salzwasser = Lösung. Osmosekraftwerke – ja – aber warum nicht einfacher: die Ozeane zur Bewässerung einsetzen. Man müsste doch nur den Mais dahingehend manipulieren, Salzwasser in Wachstum umzusetzen … und in Farbe. Endlich wären unsere Gemüse dann auch direkt vom Feld vollfarbig. Salztolerante Organismen sind ja besonders hochkonzentriert pigmentiert. Und … wie wunderbar – diese Farbsättigung würde sich durch die gesamte Nahrungskette ziehen. Das stürzte womöglich die Erde in einen Farbrausch. Drogenlos. Roteres Fleisch, grüneres Gras, blauere Augen. Wir könnten auf die verhassten E-Stoffe verzichten und womöglich sogar auf Gras, blümerant aus unserem Wortschatz streichen und Flamingos als Attraktion durch Krähen ersetzen. Seegras beherrscht die Salzverwertung übrigens schon recht gut. In der Küche würde sich zu Pfeffer ein Neutralisierer empfehlen. Nebenbei gesagt, wären diese neuen Gen-Gemüse auch bis 20 Grad minus frostfest und besser elektrisch leitfähig. Man könnte komplett auf Überlandstromleitungen verzichten. Eventuell wäre das gewonnene Energiefeld sogar für den Verkehr nutzbar. Das Problem der Reichweite von Elektrofahrzeugen wäre gelöst. E-mobil statt akkuladestationär. Man könnte den Planeten auch im Ganzen aufladen und die überschüssige Energie im Universum an vorbeifliegende Raumschiffe verticken. Apropos, ein Freund fragte mich neulich, ob ich einen Tick hätte. So in der Art Spleen oder Schrulle – vor jeder Kaffeebecherauffüllung einen Knicks, vier Schritte vor, drei zurück und dabei ungerade Zahlen meiden. Ja, mein lieber T., ich habe einen Tick: Ich freue mich auf die Zukunft. Wir sollten beim Spazierengehen dann eventuell farblich abgestimmte Strahlenschutzanzüge tragen, aber seit wann macht sich der Fortschritt Gedanken um die Tragweite?
MÄRZ.2012 SCHWERELOS
Wohin mit der Schwere? Der Beschluss steht fest, als der Balken sich zu biegen beginnt und das Untergeschoss zu Gunsten der Oberstube schrumpft. Menge macht Masse. Das Monstrum muss seinen Platz räumen. Vorher muss ich das Monstrum räumen. In seinen Untiefen vermute ich schwarze Löcher und Antimaterie. Wie sonst ist es möglich, dass alle Dinge in diesem Ding löchrig sind oder verschwunden. Ich habe einen Verdächtigen: das ALLES. Es hat meinen Schrank okkupiert. Es vermehrt sich wie eine Bakterienkultur in der Mikrowelle, ein Pilzgeflecht auf Katalysatour. Das ALLES ist ein Virus. Es untergrübelt meine Gedanken. Es übermannt meinen Körper. Es frisst meine Seele und meine Pullis. Es wütet in meinen Schubfächern. Bevor ich mich ans Werk mache, beantrage ich Immunität. Eine Spritze gegen ALLES. Das wird der Weltgesundheitsorganisation nicht gefallen. Das bringt kein Geld. Alles ließe sich besser verkaufen als NICHTS. Aber die Medizin gegen ALLES kann nur … NICHTS – das gefällt mir, klingt schon mal ungeheuer beschwerdefrei. Welche Farbe es wohl hat, das NICHTS? „Schwarz“ sagt mein Herz. „Weiß“ sagt mein guter Freund VAUPUNKT, und der weiß es eigentlich. Dabei ist das NICHTS offensichtlich transparent. Das NICHTS hat die Farbe dessen, wovor es sich befindet. Also stünde es am besten irgendwo dazwischen. Das NICHTS wäre natürlich auch in nichts verpackt und würde jeden Kaufhausdetektiv den letzten Nerv kosten wenn auch sonst nichts. Die nette Stimme würde es mit den Worten anpreisen: „Koofland … hier sindse richtig. Koofense nüscht, kost ja ooch nüscht“. Aber was nichts kostet ist auch nichts wert. Und wer kooft det denn??? NICHTS. Das nackte Sein. Nacktsein. Unverhüllt … ich liebäugele damit, das NICHTS zu … ich streife es über … tatsächlich … . Das Monstrum brummt in einer eigenartigen Mischung aus Hohlkörper und Leerraum. Ich bedauere es ein wenig. Das NICHTS braucht keine Hülle, braucht kein Monstrum. Das NICHTS ist frei. Und ich? … Wenn ich mir mein neues NICHTS überwerfe, befreit es dann mich oder lege ich es in Ketten? Das Monstrum rasselt und knurrt wie ein Magen mit Lochfraß … damals als es noch klein und niedlich war, als ich es noch tragen konnte … ich drehe mich vorm Spiegel und frage mich, ob das alles war.
FEB.2012 SCHOKOZONE
Aua! Ich sage es in dem Moment, als mir der Kessel aus der Hand rutscht. Das heiße Wasser schwappt neben meinen nackten Fuß … ER sieht mich an: AUA? Ja?! Hätte ja sein können – aua – vorsichtshalber, sozusagen. Ein Instinkt aus Urzeiten? Wohl kaum, Oma Meta. Hat man jemals einen Hund vor Schmerz heulen gehört, bevor er getreten wurde. „Vor Schmerz“. Da haben wir’s. Schön, unsere Sprache. AUA – Reaktion, Aktion? Keines von beidem … blinder Aktivismus des Nervenkostüms. Maskenballaballa. Reizzuvorkommen. Grund- und bodenlos verhält es sich also mit Affekten. Darwin hätte nicht so weit reisen müssen. Der Affe steckt im Oberhaus. Apropos: Mein Gehirn zu kapieren, wäre einer von drei Wünschen, die ich an den Geist der Wunderlampe hätte. Die anderen beiden: okkupieren und partitionieren. Dschinn quiekt vor Schreck … vor Schreck. Vor lauter Schreck. Wieso lauter? QUIEK? Verwirrwarr. Vorsicht – ah … Klarsicht. Nachsicht … gut, es funktioniert nicht immer. Die Bedeutung der Worte ändert sich im Lauf der Zeit. Auch in puncto Wert ist ein Wort scheint’s stetig im Wandel. „Zone“ zum Beispiel – wann aber wurde die negativ besetzt? Im eigentlichen Sinne meint das Wort „Zone“: Gürtel, Gebiet, Areal, Bereich. Keines dieser Synonyme hinterlässt den schalen Geschmack einer Zone. Warum also besteht „Zone“ auf ihrem MINUS? Natürlich assoziiert man sofort Ost-, Rand- oder Problemzone. Dabei könnte man ja auch … was für mich eine Problemzone ist, war für Rubens Hoheitsgebiet. Malgrund. Mahlzeit. Auch Restaurants sind heutzutage Problemzonen: für Raucher. In Zusammensetzung mit „Rauch“ bekommt, nebenbei gesagt, jedes Wort ein negatives Karma. Rauchspeck ist mies. Mies van der Rohe. Bauhaus. Rauchhaus. Mariannenplatz – was wiederum sehr positiv klingt (wie alles, wo Maria drinsteckt), obwohl das einzige was dort noch demonstriert, das Unkraut ist. „Negativ behaftete Worte neutralisieren!“ wäre doch eine einwandfreie Losung. Wertverlustlos. Übergangsweise. Die außerordentlich positive „Insel“ wird durch „Rauch“ mindestens abgewertet und selbst wenn die Einzelteile einer Wortkombi im PLUS sind, kann das Ergebnis MINUS ergeben: Inselbegabung – klingt wie Partiellgenie, klingt wie kreisrunder Haarausfall, klingt wie Problemzone. Meine Küche habe ich kurzerhand zur Schokozone erklärt. Ich fühle mich verantwortlich, den Gürtel weiter zu schnallen.
JAN.2012 ZEITBONBON
Die Sonne lugt durch die Jalousien. Zeitstrahlen fallen in den Raum und deine Worte: „Was treibst du?“ … die Zeit. Ich verstreiche sie mit dem Messer. Je schneller ich mich bewege umso langsamer vergeht sie. Paradox. Die Spannung eines Tages verhält sich umgekehrt proportional zu seiner subjektiven Länge. Rückblickend. Ein träger Tag zieht sich justament ewig, verkümmert in der Erinnerung zum Moment. Dagegen ein vollgeladener erscheint gegenwärtig kurz und ist flugs vergangen – retrospektiv aber unendlich lang und erlebnisreich. Merkwürdig auch, dass man mit einer Hochgeschwindigkeitskamera alles in Zeitlupe sehen kann. Vergeht die Zeit schleppender, wenn man keine Uhr besitzt? Ist der größte Feind der Zeit der Raffer oder der Totschläger? Was bliebe, wenn ich einmal völlig auf Zeit verzichtete? Fastenzeit. Füllt sich das Loch mit Raum? Oder steckt da schon der Wurm drin. Werden die Stunden einfach meinem Zeitkonto gutgeschrieben? Gibt es ein internationales Management, eine Aufsichtsbehörde, eine FED-Zeit-Bank? Eine Zeitbörse für Termingeschäfte? Wäre im Fall eines Kontenüberzugs Stundung möglich? Oder macht Nachdruck mehr Sinn? Ist es denkbar, dass auf der dunklen Seite des Mondes bereits eine Zeitdruckmaschine installiert ist? Verlöre die Zeit an Wert, wenn mehr davon in Umlauf wäre? Käme es zur Inflation? Und haben die Gezeiten etwas damit zu tun? Zeit – eine Ressource. Zeitmeierei – ein einträgliches Handwerk. Zeitschleuser – ein Beruf mit Zukunft? Zeitlos – immer ein Gewinn! Kinder sind da klar im Vorteil. Sie ziehen lose bis sie lernen, Schleifen zu binden. Zeitschleifen erhielten damit rituellen Charakter. Wo hält sich eigentlich in digitalen Zeiten die Unruhe auf? Ist sie auf der Suche nach einem neuen Wirt? „Wird Zeit“ … schon? Ich bin geneigt, das Fenster aufzureißen fürchte mich aber vor dem Druckausgleich. Hier drin ist’s noch zeitich. Draußen tickt’s. Kann man in einen Zeitsog geraten? Ist es das, was Oma damals meinte mit: komm, wir backen einen Strudel? Sekunde, Omi, ich werfe noch kurz ein Zeitfenster ein. Welches Geräusch das wohl gäbe – gab – gegeben hat? Die Zeitform ist relativ im Fluss. Bruce Einstein: Be Water!