2013

Dez.2013 GONG

„Achten Sie auf Ihre Atmung und …“ – wie gewünscht, schlage ich die Fersen hoch und anschließend hinterrücks die Hacken zusammen. Greife mir mit der Linken ans rechte Ohrläppchen und drücke mit dem Daumen ein Auge zu. Meine andere Hand verdoppele ich ins Reverse. Der Fingersatz spricht sich für eine Oktave tiefer aus. Jetzt geht’s an den Kragen. Offenen Auges peile ich meine Stirnhöhle an. Hier irgendwo sollte es … bedauerlicherweise läßt mich meine Mitte im Dunkeln. Es scheint mir, als sähen wir uns direkt an, der gepriesene Zustand und ich – … es mangelt weniger an Leuchtmittel als an Einsicht. Mit roher Gewalt nötige ich die Birne, sich doch bitte auszuknipsen – sie reagiert mit glühenderer Begeisterung, je mehr ich schalte. Beleuchtung und Erleuchtung sind eben zwei grundverschiedene unvereinbare Haltungen. Schwuppdiwupp … mir kommt schon wieder ein Gedanke: „wenn der Faden durchbrennte, … luminös numinos“ . Ich gebe volle Kanne Saft „drauf“ und denke mir alles Erdenkliche. Vergeblich. Nichts zu machen. „… und nun verknoten Sie Ihre Leber mit der Bauchspeicheldrüse“ säuselt die Stimme aus der Box. Mir schnürt es den Magen. Die Schulter leicht eingedreht, extrovertiere ich das Bogengelenk in die Kniekehle. Die Jacke rippt sich schmerzhaft in meine Niere. Bequeme Kleidung hatte die Stimme anfangs erwähnt. Mich jetzt zu entblößen, erscheint mir albern aber der erhoffte Zustand zwingt mich dann doch aus dem Mantel. Da capo. Ferse vors Schienbein, Hacken ans Gesäß. Das Kreuz verixt … als ich den Hals aus der Wirbelsäule schraube, verliere ich beinahe die Fassung. Nur ein kleiner Wackler aber die Spannung sackt ab. Eine Phasenprüfung ergibt dann auch sofort NULL. Meine Gelenke sind widerständiger als erwartet. Vielleicht war nicht genug Kunststoff in meiner Holzeisenbahn, da hat Muttern schon damals die Weichen gestellt. „Es ist nie zu spät“ höre ich sie sagen. Ich versuche mit der Zunge an das Armband meiner Gummiuhr – ein Andenken an die Zeitlosigkeit auf den Inseln – zu gelangen. Tickt weder recht noch schlecht. Denkbar gedankenlos und schon im Ansatz unbedacht. Die Analogie einer Jagd- und Sammelgesellschaft auf dem Weg in die Digitalsohle. Haben-ist-besser-als-brauchen – liegt zum Greifen nah und wird doch reichlich weit hergeholt. Irgendwie hängt mir das Gesamtkonstrukt zum Hals raus. Ich schlage mir den Weichmacher aus dem Kopf, beschwöre die Boa C. und breche die Übung ab. „Ist ja kein Zustand!“. Es meditiert sich leichter über einem Granatapfel oder an einer Bushaltestelle in Mecklenburg-Vorpommern.

Nov.2013 ARTGERECHTE HALTUNG

Brrr … mein Atem beschlägt. Schlafumnebelt wandle ich mit dem Hund durchs Unterholz. Idyllische Ruhe. Ein Yogurettenfalter versucht, mir aus der Tasche zu entkommen – flattert ein paar Meter bis ich ihn wieder einfange. Behutsam falte ich ihn zurück in meine Tasche. Für die Freiheit ist er noch nicht bereit. Es ist zu gefährlich hier draußen. Die Hagebutte mustert uns mit ihren tausend Augen. Eine Zeitungseule stopft ihre vier Buchstaben in ein Astloch. Das Blattwerk verzettelt sich ins Bodenlose. Ein Silberpapierchen bemüht sich, sich sichtlich im Laub zu verstecken. Keine besonders gute Tarnung – aber hier fehlen natürlich die natürlichen Feinde. Eine Schar Scherben stellt sich tot. Ich betrete vorsichtig die fragilen Stücke. Drumrum komme ich nicht. Ein Dreier TetraPaks raschelt durch die Zweige. Ein Schuhu baut sich ein Nest in einer Astgabel. Daneben hat sich eine Sitzgruppe völlig mooslos eingerichtet. Eine alte Dose träumt ihren Spargelspitzen nach. Reifensittiche werfen sich ins Profil. Plastiktütchen plustern sich dem Frost entgegen. Ein Stück Isolierwolle macht sich winterfest. Wir spazieren auf eine Freifläche. Pfui Wurstl. Der Hund entdeckt eine Rotte Dammwild, sich die Wunden vom Vortag leckend. Eine Damenbinde kandidiert für die neue Wahlperiode. Pfui, ein Haufen K … ach, hier versteckt sich der Kippenberger. Die Behörde sollte informiert werden. Ich pfeife drauf. Reifrockverdächtig wirft sich ein Altölpfützchen in Ringe. Eine große rostige Wanne badet sich in einer Lache lausiger Zoten samt Flohzirkus. Weiter hinten grunzt ein rosa Eimer durchs Dickicht. Ein verstümmelter Radiosalat krächzt im Wind. Und da – ich jubiliere – eines dieser als ausgestorbenen geltenden Apothekerfläschchen schillert in allen Spektralfarben. Herrlich. Ich verfalle in eine wahren Naturrausch. Ein Kräuter in den Kräutern. Eine Zahnpastatube verdrückt sich anonym in die Büsche. Über ihr hängt sich eine angelaufene Thermoskanne ins kahle Geäst. Die kommt über den Winter, bin ich mir sicher. Und dann entdecke ich doch tatsächlich eines dieser seltenen ausgeschlachteten Mammuts. Ein Wrack … doch welch ein Anblick. Imposant reckt es seinen Rüssel über das Gebläse. Nebenan das Gerippe eines Drahtesels, der es wohl nicht mehr zur Wasserstelle geschafft hat. Am sanft abfallenden Ufer blubbern die Flaschengeister ein paar Seifenschaumkronen. Draußen auf dem See sonnen sich Kronkorken auf einer Kunstoffinsel. Ein buntes Treiben … Und da – ein Yogurettenfalter lässt sich auf der Stilblüte nieder. Den nehme ich mit. Hab ich doch tatsächlich ein Pärchen.

Okt.2013 PRÄDIKAT AUSLESE

Ein großartiges Buch – es wird schwer werden, ein ähnliches zu finden. Fesselnd, ohne zu binden. Die letzte Zeile verschwimmt. Lettern verlottern zu Braille. Im Paralleluniversum wertet die Gebärdendolmetscherin die Nachrichten mit Klaus Kleber zu einem Dalí auf „… eine Lawine weiblicher Altersarmut rollt auf uns zu.“ Ich lache Tränen. Ausmusterung. Ich blättere noch einmal durch die Eselsohren. Unterstrichenes. Gestrichenes. Verstrichenes. Der Subtext liegt auf der Hand: ein neues aufschlagen. Aber welches? ‚Die Bibliothek von Babel‘ macht mich sprachlos. Immer mit der Ruhe. Alles was je gelesen werden wird, ist bereits geschrieben, lediglich der Code ist noch nicht komplett interpretiert. Zeit streicht mir um die ausgelegten Beine. Meine Augen wandern durch die Regale. Eins, zwei, dreißig x acht x fünfzehn macht 3600 (nur mal grob überschlagen) durch 52 macht 69 (rund). Wenn ich jede Woche (schöngefärbt) eines der Bücher lese, brauche ich 69 JAHRE! Oh … bis eben war ich mir sicher, dass ich sie alle auf kurz oder lang lesen würde. „immer mit der Ruhe“ … wird plötzlich zu einer Unmöglichkeit. Zumindest im Falle, ich mir auch die 23.552 Musikdateien anhören, alle Marmorkuchenrezepte testen, alle Männerspielzeuge ausprobieren, alles Menschenmögliche leisten, alle Messen singen und jeden Marsch tanzen und nebenbei meine Rituale und Leidenschaften pflegen möchte – nicht zu vergessen die liebe Muße. Unmöglich, alles in einem Leben zu schaffen. Ich habe die Wahl, sofort hyperventilierend in Panik auszubrechen und es wider besseren Wissens „wenigstens“ zu versuchen oder … „Kaffee oder Tee? Jetzt oder später?“ ruft’s aus der Küche. Liebertee, gleich heut und brüderlich geteilt … Big Menthé statt Single Malt … vision is possible. Ich sollte besser selektieren. Ein Streich am Hund bringt mich wieder zu mir. Ich muss ja nichts. Vertreten wir uns also vorerst die Beine. Restleg auf Bestweg. Wenn ich es genau nehme, dann wähle ich pausenlos. Chronisch. Und entscheide mich bestenfalls für … „Marmeladenbrot zum Tee?“ … ja, für diesen Moment scheint es genau das rechte zu sein. Wenn ich Glück habe … nein, habe ich nicht. „Kirsch-Rhabarber oder Zwetschge-Mirabelle?“ Der freie Wille im Kleinen kann zermürbend sein. Wenn ich doch nur die Wahl hätte, meinen Hormonspiegel selbst zu regulieren, Menstruation und Bartwuchs zu steuern und die Geschicke des Universums zu lenken. Ja, ich würde mit Freuden „Käpt’n, Steuer- & Bootsmann“ als Titel in meinen Reisepass eintragen lassen. Aber ich vermute, der freie Wille beschränkt sich aufs Unwesentliche. Ein Regal voller Möglichkeiten … aber die Titel sind vergeben und die Inhalte stehen bereits fest. Buchstäbliche Willkür. Ich lehne mich zurück ins Polster. Nicht zu wählen – wäre bereits eine Wahl. Mummenschanz – der Alte würfelt doch. Und 10 Augen sehen mehr als fünf. In diesem Moment entscheide ich mich fürs Verstreichenlassen. In der gewonnenen Runde verliert sich die Stunde … lalala.

SEPT.2013 SPIEGELREFLEX

Ich blättere in meinem Teig. Alles im Fluss. Die Promenadenmischung ist in Bewegung. Walzt sich aus, schiebt und zieht sich, schwillt an, schwappt über, schlägt Blasen. Der Nachmittag wellt sich schwül über die Mole. „Kreuzigt mich“ betteln die Pappnasen von den Wahlplakaten. Die guten Stammbäume – geschlagen für einen Frevel. Hol’z der Teufel. Ein grünrotes Pärchen zeigt sich heimatverbunden. Kinder, Kinder … Muddation! Ein Honigkuchenmann flaniert mit seiner Streuselschnecke. Schlaftrunken rülpst eine Bankanlage. Streusels Fifi pfeift erschreckt zurück in die Schnappleine und noch ein Stück weiter auf die Uferstraße. Eine offene Plunder hält mit qualmenden Schlappen. Läuft rot an, holt aus, öffnet die … kommt ins Strudeln. Das Haar sitzt lockend und … „2 Quarktaschen, bitte schön“ holt ihn die Bäckersfrau zurück auf den Tortenboden. Für meinen Backwahn muss ich teuer bezahlen. Der Rückweg streckt sich. Ein Läufer zieht sich die Beine lang – sein schmerzverzerrtes Gesicht meinen Blick auf sich. Quälerei, Qualität, Qualia? Ich versuche mich in seine Wade zu versetzen. Unmöglich … da scheint es mir leichter, mich in eine Schnecke zu denken, die im Ganztagesmarsch quer rüber griecht – der lange Weg nach Marathon … und auf halber Strecke kommt eine helfende Hand: Zurück auf Start. Phlegma die Datenbank. Löschma den Spielstand. Setzma zurück. Ich verkrieche mich in meine Spirale. Haus und Hof immer dabei. Hätte sie meine Spur bemerkt – die Richtung lag klar auf der Hand. Mit offenem Haar und gelbem Rad rauscht sie an mir vorbei. Noch bevor ich … ist sie wieder verschwunden. Eine Erscheinung. Sehen und Gesehenwerden wirken nur als Bindemittel, wenn es zwei aktiv beteiligte Komponenten gibt und beede de Oogen uff Empfang haben – oder durch Reflexion … Sie sieht mich nicht. Ich seh’s ihr nach. Wir beide treffen uns, das haben wir vor Jahren so abgemacht, ausschließlich nach dem Zufallsprinzip. Aber … war er das jetzt, der Zufall? Oder war das nur sein kleiner Neffe – der Zufallstrick. Nehme ich den Faden auf oder lasse ich ihn laufen. Am Ende bleibt mir vielleicht nur die blanke Rolle? Ich gebe Schnur und wähle 0177-4…  könnte es sein, dass meine Wahl vorherbestimmt ist? Ich umgarne mich mit Zweifel. „Es gibt keine Zufälle“ sagt mein Spiegel. Evolution ist gebunden an die Vorgaben der Vergangenheit. Welcher Vergangenheit? Der real existierenden Vergangenheit? Der, an die ich mich erinnere? Erinnerung ist immer nur Erinnerung an Erinnerung. Mit jedem Rückblick erfindet sich die Realität neu. Vergangenheit ist weder zuverlässig noch ist Zukunft sicher. Beides folglich nicht relevant. Und Realität? Kann ich die Realität selbst bestimmen oder nur aus vorgegebenen Möglichkeiten wählen? Nichts ist so illusorisch wie eine Gewissheit … entscheide ich und lege ein paar Bröckchen aus, vertraue darauf, dass sie meine Krümelei überrollt  … sagen und gehört werden … ich seh‘se schon kommen.

AUGUST.2013 LUFTNUMMER

Es klopft. Anstaltshalber öffnet die Tür. JA? Ein elefantöser Karton versperrt mir die Sicht auf den Mann in Uniform. Ich weiß nicht, ob ich das bestellt habe. Es kommt mir ein wenig zu groß vor. Er zeigt auf das Klebchen: „Frau S.“ Na gut, ich nehme es vorerst an. Gemischten Gefühls hole ich meinen Brieföffner. Der sieht das unproblematisch – ein Schlitzohr. SchnippSchnapp. Mit spitzen Fingern öffne ich den Deckel. FUBB-B-BB … eine Luftkissenschlange tanzt Slowfox in den Flur. Das Stück hat Längen – ziehtsisch. Ich lasse den Rüssel sich ins Bad schlängeln und schiebe den Gedanken an Bandsalat beiseite. Den Knoten löse ich später. Erst auspacken. Am Boden der Dickhäuterbox leuchtet es … Rosa. JA, habe ich bestellt. 250ml. Die Endlosluftschlange werte ich, angesichts der zu erwartenden Sauerstoffknappheit, als Geschenk und quartiere sie zwischen aufgeblasenen Matratzen, Fahrradschläuchen und Fröschen auf dem Speicher ein, man weiß ja nie, wann einem die Puste ausgeht. Wenn ich’s mir überlege, ich kaufe sie sogar. Mit jeder Packung Chips, Käse, Wurst erwerbe ich einen Teil Luft. Ist doch Luft, oder? „Unter Schutzatmosphäre verpackt“ steht da. Besonders keimfrei, vermute ich. Ich nehme einen Zug aus der Tüte. Sehr rein erscheint mir das nicht. „Made in Shanghai“ erklärt mir das Kleingedruckte ungefiltert. Wenn ich schon nicht auf die Herkunft meiner Wurst achte …, aber das geht mir zu weit. Ich spare hier Energie, trenne Müll und vermeide Abgase und dann schicken DIE mir ihre dicke Luft stehenden Fußes? Herr HU hat seine Freude. Ich nicht. Diese miese zusätzlich verpackte Luft fährt dann auf zusätzlichen Containerschiffen, Zügen und LKWs um die Welt und produziert damit zusätzlich Miese. Bevor sich das hier alles vermischt. Ich fordere Luftschutzwände. Was da aus jeder Wurstpackung in meine Atemluft entweicht? „Schutzgase, …“ sagt WIKIPEDIA, „… sind keine Zusatzstoffe im Sinne des Lebensmittelgesetzes. Sie sind lebensmittelrechtlich unbedenklich und müssen nicht deklariert werden.“ Und weiter: „Als Schutzgas wird ein Gas oder Gasgemisch bezeichnet, welches die Aufgabe hat, die Luft der Erdatmosphäre zu verdrängen, vor allem den Sauerstoff der Luft.“ Klingt total unbedenklich. Da kann ich ja auch gleich mein Altöl ins Trinkwasser kippen. Vermutlich steigt das Durchschnittsalter des Menschen dadurch, dass er sich stetig unbewusst mit Konservierungsmitteln eindieselt. Lose Wurst – sage ich – wäre eine Zwischenlösung … wenn das doch mal in die Hose geht, habe ich ja immer noch die Luftschlange. Was mache ich denn nun mit der Pappelefanten, der meinen Flur verstopft? Ich möchte raus. Atmen! Klopfklopfhalloo? Der Uniformierte lugt durch die Luke. „Frau S., wo wollen Sie denn hin? Sie wissen doch: das ist ’ne geschlossene …“

JULI.2013 OPEN MIC

Verschlafen räkeln sich die Zeiger. Die Unruhe liegt noch in den Federn. Morgenstund. Ein erster Kaffee verduftet mit mir in den Garten. Ssaftig. Und das Gras ist noch sssommermorgenfeucht. Im Haselbusch ssssonnt sssich die … „Sssssso eine sssssssssssss ssssss s sssssssssss“ ich ssssssss sssss sss … sssschnell ins Haus und … Tür zu! „Mig ham´se erwischt“. „Blutzoll“ antwortet das Kissen. „Sind sie schon hier?“ — „…wenn man sie einlädt!“ Das Kissen ist heute viel faltig. Eine dritte Person sssstimmt mir zu. Mein Spiegelbild sssssieht aus wie ein Stich von Dürer. sssss… Ausrüsseln … Punktlandung … Anstich … Kostprobe … Abpumpen … in ihrem Blutrausch kann sie sich nicht bremsen und macht zum Dessert noch einen Abstecher in dünnhäutigeres Gebiet … Mitte Fusssohle. Mir reicht‘s. Es handelt sich hier schließlich um kleinste Bluttransfusionen, und die sind, laut Zeugenschutzprogramm, nur in Absprache mit dem Allmächtigen erlaubt. In diesem Raum bin ich das jüngste Gericht. Also WEN juckt‘s? Klatsch. MEIN Blut an MEINEN Händen und gerade will ich mir die Frage stellen, ob das wirklich alles mein … alsss – Reinkarnation – da ist sie wieder. Klatsch. Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass ich nur schlachte, wenn‘s mir an die Wäsche geht. Wobei sich natürlich die Frage stellt, ob man vom Verhalten einiger auf das aller anderen schließen darf. Die Fliegenklatsche … sssss … erscheint mir wie ein Doppelspaltexperiment. Enggemascht lässt sie immer noch Blankton durch. Das Schwebstück verflüchtigt sich und taucht an der vorhersehbar unwahrscheinlichsten Stelle wieder auf. Wenigstens begleitet ein kollegiales Summen den Angriff. Gewitzter als vor 10 Jahren sind sie ja schon seit der letzten Flut. Verstecken sich hinterm Sofa und auf gemusterten Hintergründen … früher saßen sie in Reihe auf der Schlachtbank – da Vincis letztes Abendmahl. Ein s-freier e(vo)-Antrieb würde so manchen Imbiss sichern. „Aber ich will hier niemandem ins Handwerk pfuschen.“ fraulocke ich. Der Kapellmeister greift zum Schlagwerk. Michelangelo verteilt sich über die gesamte Decke. Ich horche … nichts … vorausschauend greife ich zur Flasche … AntiBrumm, Stichfrei, Ohnesorg – die kollektive Autanasie behindert uns am Ende mehr als dass sie uns nützt. Forciert sie schließlich Resistenz und die Reaktion beider Seiten auf die neuen Prämissen. In der richtigen Frequenz gesendet, kann ein S zu viel nämlich schon schnell auch mal die Gefäße zum Platzen bringen. Applaus, Applaus, Applaus.

JUNI.2013 BADEN BADEN

Heureka, ich hab’s. Was nicht von selber will, muss angetrieben werden. Die Dampfmaschine läuft. Feiner Nebel legt sich auf die Aussicht. Schließt mich mit mir ein. Schließt alle Ablenkung aus. Öffnet die Poren. Die Inspiration liegt in der Badewanne. Wie viele Erfindungen wurden nur erfunden und wie vielen Lehmklumpen wurden nur dadurch Beine gemacht, dass ein Menschlein ein paar Stunden in heißem Badeschaum verbrachte. Ich lasse mich sinken … Nassau… den Seifenbläschen beim Brutzeln zuhören, die Ankerkette ausloten, eine Schaumsonde aus der Lauge stecken, um festzustellen, dass diese unmöglich ein Teil von mir sein kann – eine Zehlprobe bewiese das Gegenteil, aber warum die Blase anstechen? Seemannsgarnicht wahr aber erfunden. … Washington … Ich seife mich ein. Der Schwitzkasten beginnt sich zuzuziehen. Schweißnähte brennen sich ein Delta … Salzgitter … Luftkissenboote begleiten einen Schwamm  – p’aircussion. Hovercraft meiner Wassersuppe verdichte ich Schaumstoffplatten zu Kontinenten. Ein Faltengebirge taucht auf und ab und auf und bringt mich in Verdrängnis. Ich sehe was, was ich nicht seh’ und das wär weis’. Ich perle in Tropfen vom Rand. Spiegele mich 1000fach in Argus Laugenaugen. Wir schauen mich an: „ICH bin wahr“. Meine 1000 ICHs formen die Lippen: ICH bin wahr … Warschau … Vom Bad in die Anstalt. Ich nehme für wahr, was ich wahr nehme? Ich muss mich kneifen. Positionslichter wären angebracht. Die Wahrheit hängt offensichtlich vom Standpunkt ab. Was weiß ich, ob sich hinter der vernebelten Scheibe, tatsächlich das befindet, was ich denke, dass sich dort befindet weil ich es eben noch sah und ob hinter der geschlossenen Tür meine Wirklichkeit lauert oder deine oder eine ganz andere, ob der Mond auch existiert, wenn ich nicht hinsehe? Obi-Wann Kenobi steckt den Kopf durch die Badtür und beruhigt mich: die Nacht wird mit ihm sein oder nicht sein … Wellington … Schwerer Seegang – Anblasen, Zehriskop einfahren, U-topia taucht auf mit Schaumkrone. KaLeu, es geht mir so nar. Die Wanne – für den einen surrealistische Form, für den anderen reale Funktion. Kunststoff – gehört blankgeputzt und Badminton ist nichts für Schaumschläger. Ich werde noch ein paar Segel streichen … Lockerbie

MAI.2013  URNENGANG

Begraben und vergessen. „Eheleute Willi Meyer“ steht auf dem Kreuz. Das hat Sabine nicht bedacht. Mit dem Bund fürs Leben bringt man sich unter Umständen um die letzte Ehre. Sie sei getröstet – spätestens nach Ablauf des Grabmietverhältnisses, verlässt auch ihn endgültig seine Präsenz, falls er nicht vor dem Ableben ein Manifest geschrieben, den Olymp bestiegen, sonst wie die Geschichte gestaltet oder eine FlatDead-Aufbahrung im Mausoleum gebucht hat. Ich hebe die Hand für existenzverlängernde Maßnahmen (oder wollt ihr den totalen Tod?) und eine Belebung der Friedhöfe. DeadMan- anstatt Nordic-Walking. Das muss nicht zwangsläufig langweilen. Ich denke da an Grabsteine mit integrierter Festplatte. Ein paar TerraBite würden im Lauf eines Lebens schon zusammenkommen – und die eine oder andere Schlachtplatte könnte dabei sein. Es gilt, schon zu Lebzeiten seine Daten zu sichern für den Tod im Schaufenster via Sehbestattung mit Monitor zur Welt und Hotspot für die sofortige Popularisierung per Facebook. Little Brother verfolgt per Livecam den Verwesungsprozess. Im Gästebuch könnte man sich nachträglich über den Verstorbenen äußern oder ein einfaches „war 2078 hier“ hinterlassen. Postum. Da klingeln dem gelben Riesen die Hörner. Ein Nachnahmegeschäft. Grubengold. Der Eintrag bei Google SixFeetUnderEarth samt Autobiografie und Krankenakte erleichtert dem modernen, nach Infos grabbelnden Grabräuber das Handwerk. Da will sich schließlich einer was weg holen. De facto wird der Tod noch wenig vermarktet. Dabei bietet er unendliche Möglichkeiten, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, z.B. neue brutale Reiseziele für Leute, die mal ganz raus wollen: Buchen Sie ihre Nahtoderfahrung jetzt & hier. Wir bringen sie unter in einer 5-Sterne-Gruft auf Père Lachaise oder für kleines Geld in einer Kiste auf dem Südfriedhof Magdeburg. Verlängerung ist im Anschluss zubuchbar. Auferstehung kostet extra. Für Liegen in guter Einzel- oder frischer Fleischeinlage – werfen sie das Handtuch. Unbelegten „Leerstand“ könnte der radikale Flügel endlich „besetzen“. Und Todessehnsucht wäre stationär behandelbar. Das Ende ist für alle da. Wem die letzte Ruhe zu teuer erscheint – hier noch ein Tipp: das Namensschild an der Wohnungstür eignet sich hervorragend als Inschrift (Schrauben liegen bei) oder die Tür im Ganzen als Grabplatte nutzen. Kunststoff verrottet ebenso schlecht wie Steinzeug, muß aber wöchentlich geputzt werden. Für den vollen Service, wähle 0391-4 …

APRIL.2013  BEETLEJUICE

Wir brechen auf zur Morgentoilette in die Gartensparte „Sonnenschein“. Trotz Wegerecht und Bücklingen auf beiden Seiten bin ich nicht so gelassen, wie ein Sonntagmorgen es nahe legt. Sie sind noch erkennbar – die Minen vom Vortag. Heile Haut kann ich mir abschminken. Denke es und schon taucht eine Runzelrübe aus den Narzissen auf. Ich nicke. Guten Morgen. „Mach die Töle fest“ schallert es. Eure Durchlaucht rasselt mit dem Grubber. Vor ihm patrouilliert eine Zwergenarmee. Seine Gurkenkönigin bläst in den Marsch: „Der scheißt hier alles voll“. Ich zücke ein Tütchen. Alles im Griff. Die beiden stecken die Köpfe zurück ins Wurzelgemüse. Radikalkulation: nicht alle sind Ärsche – auch wenn sie momentan nicht viel mehr gucken lassen. Später recken sie die Bäuche in geblümten Klappthronen und schauen auf ihre Zucht und Ordnung. Kleinstaaterei – die Fahne ist gehisst. Man grenzt sich ab. Laubenpieper vs. Wühlmäuse. Paarzellteilung und die Freiheit, die eigene Scheisse da zu vergraben, wo man möchte. Dagegen ist kein Kraut gewachsen: wer mit Dreck wirft, macht sich mindestens die Hände schmutzig. Die Rasenkantsche Aufklärung reicht bis zum Spartenzaun. Halma Mater – da ist man sich einig – bildet. Ich halte es mit Gartenvielfalt. Scharf rechts hebt Kallemagne eben Gräben aus und bringt die Ardillerie in Stellung. Links plant Spartacus einen Gladiolenausstand. Gegen Nichtschreber steht man in Reih und Flucht zusammen. Unbeeindruckt pinkelt der Hund durch die Grenzbebauung. Der Sprenger überrascht einen Zaunkönig. Der kontert mit Spargelspitzen. Ich ergreife die Frucht. Noch ein paar Meter, dann sind wir außer Reichweite. Und noch einige weiter … aus den Augen … wenden sie sich wieder ihresgleichen zu. Kalle veräppelt ungeniert Nachbars Helene. Auf der Erbse, auf dem Schlauch … Werner droht mit Kieferbruch. Die Mittelwellen treffen sich im Kreuzfeuer am Heckenschutz. Für dich soll‘s rote Rosen regnen, mit Vase … Hildegart schüttelt die Faust mit den Samen. Tante Milli zeigt ihr was eine Harke ist und verteilt Veilchen. Aggrokultur. Hier liegt der Kern begraben. Ohne Feindbild bewerfen wir uns gegenseitig mit Tomaten. Zum Abend dudelt einsam der Buschfunk. Ein Kohlrabbi ruft zum Gebet, ein Kauz nach seiner Käuzin. Die Sonne geht friedlich unter über roten Beeten und Deutschlands Himmel breitet seine Sterne …

MÄRZ.2013  SCHNEE VON GESTERN

Ich verlasse meine Raumkapsel durch die Hintertür. Schleuse den Hund und mich in die Landschaft. Die Scheedecke blinkert mir zu. Milliarden! Fröstelnd stelle ich fest: wir sind alle über sechs Ecken verwandt. So gesehen reflektiere ich das gesamte Spektrum. Bizarr. Mit dem ersten Schritt nehme ich der Fläche ihre Unschuld. Ich bin Erstbegeher. Standartenlos setze ich meinen Maßstab. Stichprobe. Hält mich. Zivilisation ist stellenweise ein doch sehr dünnes Häutchen. Unter der Oberfläche brodelt es, warten Archetypen und Urviecher auf einen Einbruch. „Beschweren beschwert!“ … Lightgedanken. Aber momentan ist’s ja ruhig. Der Schnee dämpft. Knirschend verdichte ich die Flocken. Trete ich den Raum mit Füßen oder ordne ich den Kosmos neu? Kompression – bar aller Vorstellungskraft – verlustfrei. Winter.zip – Update jetzt runterladen? Lieber nicht – ich breche ab … treibe weiter in die Menge. „Guten Morgen, ich möchte 5 Brötchen“ … und bekomme eine Backpfeife. „Mittag, junge Frau, Mittag … drei sind noch da“. 5 für 99 Cent steht auf dem Schild daneben 1 für 29. „Ich nehme 3 und 2 im Sinn“. Sie nickt. „…bis morgen“ Alles eine Frage der Berechnung. Morgen nehme ich die zwei von heut und 3 dazu, 2 bleiben im Sinn und so geht das bis wir uns beide in einer Mandelbrotmenge verlieren. Den verbleibenden 1 Cent lasse ich mir nicht auszahlen – da hab ich in 99 Tagen 5 Brötchen gut. Da lacht der Hund. Stammkunden – wir beide. Ich wünsche der Bäckerin einen schönen Tag und frage mich, ob sie mich irgendwo heimlich als offenen Posten in eine Tabelle einpflegt. Wieder eine Information über mich, die gegen mich verwendet werden kann. Selbst wenn ich alle Rechner und Telefone aus meinem Leben eliminiere, werden Bäcker, Müller, Meier und Schulz meine Informationen ins System einspeisen. Ich nehme den Gang raus und blinzele ins Schneegegriesel. Das Weiß löst den Blick auf. Blind verschmelze ich mit dem Geräusch der ineinandergreifenden Kristalle. Eisolation scheint ein Oberflächenkonstrukt. Individualität ein Trug. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Ein Muster kristallisiert sich heraus. Ich stolpere und überfalle eine Weißwurst an Eisbergsalat. Der Schlawiner freut sich über seine Schneeraupe und wedelt mit der Rute. Vom Schnee verweht … Fertig! Na wunderbar. Strukturell gelöst folge ich meiner eigenen Spur.

FEB.2013  SCHAFSKÄLTE

ROT. Da sitzen sie wieder. Auf das Signal wartend, frage ich mich, ob ich das Ergebnis zu meinen Gunsten manipulieren sollte, indem ich wieder und wieder … Sie werden es nicht merken. Sie sind konzentriert, den Plan zu erfüllen. Das Augenmerk liegt auf der Straße. Strich folgt auf Strich. Grün. Ich werde Hand anlegen. Wenn ich mir jetzt die Mühe mache, habe ich bis zur nächsten Zählung die Verkehrsführung auf meiner Seite. Ich quere die Kreuzung und wende, rot, grün, ich quere und wende rot und quere und grün und wende, rot, quere, wende, quere, grün, wende, rot, grün, rot, grün … das Rad schlingert … wohin war ich noch gleich unterwegs und wie sind wir überhaupt in diesen Kreisel geraten? … mir wird schlecht und plötzlich klar: Das Übel begann mit der Übergangsjacke. Mit ihr verloren wir unseren Pelz und die Freiheit. Was folgte, war der Zweifell. Für welchen Wams sich entscheiden? Das größere Sortiment zog größere Begierde und größeres Engagement zur Erfüllung eben jener nach sich. Technologisch gesehen – der Fortschritt. Menschlich eine Katastrophe. Flausen? Mit dem Pelz verloren wir den direkten Kontakt und gingen auf Tuchfühlung. Inzwischen liegen Modewelten zwischen uns. Tütü und Spitzenhäubchen – selbst die Tagespolitik tanzt Kaballett: Schavanensee … vor – zurück – zur Seite – raus … Wahlkampfgesang … was das Gemeine mit dem gemeinen verbindet. Wir sind eben alle nur Schafe im Wollgeschäft. Und bist du nicht willig, so nimmt man dich wolle. Wirfst du nichts ab, gehst du Schafott. Nur wer zu voll hängt, kommt um den Strick. Irgendjemand muss das Kunstgewebe ja finanzieren. In die Enge getrieben, versucht jeder, seine Schäfchen ins Trockene zu bringen. Die Augen auf den Boden mähandern wir um die Tatsachen … Trauerweiden. Lammheimlich hat man uns konditioniert. Strickliesl zöpft auf der Wiesen. Aber maßvoll bitte schön. Fellatio – schlückchenweise. Spätestens jetzt schlägt unser Schäferstündchen. Das ganze scheint mir eine Masche … eine fallen, eine laufen lassen … Gründungskapital für Biogasanlagen. Wir laufen in die offene Schere, denn komme was wolle … zurechtgestrickt wird es vor unseren Augen und der Braten schaut in die Röhre. GRÜN – in der Beschafungsmaßnahme geht’s weiter um den Strich – na dann woll’n wir mal: mein Schafanzug? Sitzt!

JAN.2013  EISBLOCKADÉ

Ich erwache tiefgekühlt. Polarlichter huschen über die Decke. Mein Atem rieselt auf deine kalte Schulter. Morning on the Rocks. Eine Gletscherzunge schleppt sich ins Tal. „Lässt DU die Pinguine raus?“ Die Kaltfront polarisiert. Ich schlüpfe aus deinem Pelz. Jeanne d’Arctic scheitert heute nicht am Gefrierbrand. Als ich das Fenster schließe, erhasche ich einen Blick auf einen Frührenntner. Minusgratwanderung – ein Auslaufmodell. Wo nimmt der die Energie her und warum bringt er sie nicht in Umlauf statt sie zu verpulvern? Verschwendung. Die Energie eines Morgenläufchens sollte reichen, um ein paar Eier zu braten und den ersten Kaffee aufzukochen. Da brüsten sich Laufschuhhersteller und Funktionsbekleider mit bester Schockabsorption und 100%iger Wärmeableitung. Aber wohin geht denn diese Energie? Wenigstens Pulsuhr und Schrittzähler könnten ja energetisch eingelaufen werden. Brrr … diese Kälte erfriert meine Motorik. Artistik um der Artistik willen. Es bleibt ein Spagat. Energie ohne Kohle? In meinem Kopf arbeitet es. Was da genau arbeitet? Wüsste ich gern. Aber sobald ich es zu fassen versuche, löst es sich in Nichts auf und heiße Ohren … die Morgensonne befreit mich aus der Umnachtung. Das Denken lässt sich nicht durch denken entthronen. Ich horche in mich hinein. Impulse flitzen in Leitgeschwindigkeit Nervenbahnen entlang. „Auch das verbraucht Energie“ könnte der Schlaufuchs nun einwerfen. Jawohl, und da wäre es nur gerechtfertigt, wenn diese Arbeit nicht einfach verpuffte. Energie aus Gedanken … Mein eigenes kleines Gehirnstromwerk. Die Preise mache ich natürlich selbst … Negative Gedanken setzen besonders viel Energie frei. Ich erinnere hier nur kurz an die Pöbelei auf den Straßen. Entspannt wäre, wer ein E-Auto führe, er bräuchte nie wieder ans öffentliche Stromnetz. Der Akku wäre dauergeladen durch die Aggression des Fahrers. Reichweiterung durch Aggromulatoren. Und sänke der Batteriestand doch einmal (Sonne, Strand, gute Laune) – gäbe es volle Ladung zurück von überraschten Senioren und Radfahrern auf Gehwegen. Die hätten schließlich nur ihren Rollator aufzuladen oder die Frisur. Überschüssiges Gemecker könnte sofort eingespeist, gewandelt und umverteilt werden. Das Ergebnis wäre sofortige Entspannung. Wirkungsgrad im Kleinkreis. Ein kleiner Streit mit Mutti und die Küchentischlampe leuchtete wieder etwas heller. Da erscheint mir „Ihr seid das Licht der Welt“ in neuem heiligen Glanze.