Dezember.2014 Fußnote
Alle Wetter. Es gibt Dinge, die kann man nicht auf- und Momente die kann man nicht festhalten. Vorm Fenster plaudern zwei Schemel, zwei Koniferen konferieren … zwei Krähen im Singflug, Licht und Schatten … Dualität da draußen. Quasi mono (ich danke dem Wortschöpfer, der ich nicht bin) hier drin. Einerlei ist mir das nicht. Ich fürchte, ich muss wieder raus in diese Welt voller gezückter Klingen. Ich raffe meine Ringe und werfe die in Nachtarbeit geflickte Haut darüber. In Erwartung des ersten Hiebes trete ich vor die Tür und rolle die ersten paar Meter. Fühlt sich rund an. Ein Windstoß öffnet mir sanft die Augen. Das war knapp. Ein wenig Aus-der-Bahn- geworfen-werden muss ja nicht unbedingt verkehrt sein. So schleift sich wenigstens nichts ein. Ich trudele ein Stück des Wegs und tariere mich aus. Rollt wieder … herrlich … leicht, fast wie von selbst. Die eingesparte Energie kann ich in freie Stücke investieren … in vollkommen zweckloses Schenken zum Beispiel. Vorfreudestrahlend rolle ich dir entgegen … unvorbereitet trifft mich der Schlag. Gerade von dir hätte ich ihn nicht erwartet. Das bewegt mich zutiefst. Und auch meine Auslegung, dass es nur der ohnmächtiger Anflug einer fixen Idee ist, der Welt den eigenen Stempel aufzudrücken – macht es nicht weniger schmerzhaft. Es wäre gelogen zu sagen, dass es mich nicht tangiert. Ich fühle mich seltsam beschämt von diesem Machtgerangel. Ich denke an Mythen, Märchen, Legenden und daran, dass nur der reinen Herzens ist, das Schwert führen darf. Aber hier draußen fuchteln alle senseless mit ihren Sensen herum. Ein wildes Gemetzel – teile und herrsche. Da schneidest du dir doch tatsächlich eine Scheibe heraus, um dein Gebiet zu vergrößern. Ein Gebiet das schon jetzt eine grob zerklüftete Form hat. Wo willst du sie da finden, deine Mitte? Die zu berechnen braucht es mindestens einen Supercomputer. Wobei sich ganz nebenbei unsere Technologieknechtschaft erklärt. Ein Zipfel Macht zieht das ganze Leichentuch nach sich. Wenn jeder jedem den Raum verschneidet, ist jeder chronisch auf der Suche nach seiner Mitte, Schnittmenge hin oder her. Wenn es keine gemeinsamer ist, macht´s ja keinen Sinn … ein Jammer – und so werde am Ende ich selbst mich überrumpeln mit einem Zitat: Noch viel lernen ich kann.
* Alle Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind Schnittkäse. Jeder entschärfe sein eigenes Schwert.
November.2014 Konservierung in Fischgrät
Ich besteige den Ölberg auf Socken. Ein Himmelfahrtskommando. „Den Weg geht‘se ma‘ nie – hat‘se jedacht“. Aber denken ist eben nicht immer der Weisheit letzter Schluss. Am Ende wird alles gut. Und die Hoffnung stirbt zuletzt. Denkbar unerfreulich, denn demnach stünde am Ende das Ende unter Verdacht, verlässlich zu sein. Auf dem Boden der Tatsachen angekommen, wird jeder Schritt reine Meditation. Die eintönige Bewegung schleift sich ein. Das hier ist kein Sightseeing in der Bretagne. Eher ein Treibholzdeal über den Jordan. Der Weg geht sich von selbst. Reinigend kratze ich mit dem Spachtel die alte Farbe ab. Schichtweise reise ich rückwärts bis zur letzten Lage. Holztapete auf Holz. Bemerkenswert was Menschen für wertvoll, zu tun erachten. Eine Generation streicht mühsam ein, eine andere geizt alles komplett wieder ab. An manchen Stellen ist der Lack so dick aufgetragen, dass man unmöglich ermessen kann, was darunter ist. Eiche gelegt, Kieferbruch oder es sinkt mir die Lärche … Doch es ist der Mühe wert. Astloch und Leistenbruch sind mir kein Dorn im Auge. Es ist wirklich ergreifend, was zum Vorschein kommt, wenn man am Grund anlangt. Wäre es seltsam, einen Boden mit Parkett aus humanoiden Überresten zu belegen? Konservierung in Fischgrät: Herr von Hagens „Körperwelten“ jetzt auch im Hagensbaumarkt. (man verzeihe mir diese Platte) Das Bund „reine Arier“ für 12,- Euro brächte mich in Verlegenheit. Moralisch einwandfrei wäre das unter heutigen Gesichtspunkten wohl nicht. Denn zuvor müssten dem Baum Menschenrechte zugesprochen werden – und das wäre ja wohl der Gipfel. Jetzt, wo wir gerade im Begriff sind, dem Erdzeitalter unseren Terminus aufzudrücken. Not-Good–at–all. Da erkennt man im Umkehrschluss, was die Bretter der Welt bedeuten. Anthropozäneknirschend lasse ich den Gedanken sausen und bereite eine letzte Ölung vor. Die sensible Nacktheit nimmt jede Spur auf, wenn man sie zu lange der Witterung aussetzt. Um den Fleck wieder zu löschen, müsste man an die Substanz gehen. Ein Streich der menschlichen Natur. Geölt läuft eben wie geschmiert. Das Öl dunkelt etwas, aber es bringt die feine Maserung noch heraus. Ich ergötze mich an meiner Freilegung. Wunderschön. Einzigartig. Ich bin kurz davor, Oliver Twist zu tanzen. Die dicken Socken bleiben an.
Oktober.2014 Das Leben des Brain
Ich blättere durch die Bilder meines Lebens. Ich auf einem Karussellpferd, am Strand mit Schirmmütze mit meinem Bruder mit Brausepulver mit Kaulquappeneimer mit verheulten Augen schlafend mit einem Eis im Mundwinkel mit Fragen mitten in einer Pfütze. Das könnte genauso gut ein anderer sein. Ich habe keine Geschichten zu diesen Bildern. Ein Index, dem die Inhalte fehlen. „Ja, weißt du noch, …“ „Nein!“ Unmerklich verlor sich dieses Detail sowie alle die anderen. Endlich bleibt von der Geschichte nichts als Kolportage – zudem noch persönlich gefärbt. Die Erinnerung an eine Erinnerung – sagte ich, an anderer Stelle schon einmal, glaube ich mich erinnern zu können. Wenn sich ein Gedanke aus verschiedenen Ansätzen in der gleichen Form herausbildet, ist er dann wert, wahrgenommen zu werden? Ist „Vergessen“ Krankheit oder Kunst oder beides? Wäre ein Meister in der Kunst des Vergessens nicht auch Meister der Improvisation? „Was du gestern für mich warst, kannst du mir heute aufs Neue sein“. Das ist keine Auslegungssache sondern Werk – täglich frisch komponiert – unbelastet von Kamellen. Freud und Männer vom Fach würden so jemanden als Verdrängungsexperten bezeichnen. „Alles wird irgendwo festgeschrieben“, zur Not im Unbewussten. Ich denke an Domino – es besteht keine Option. Man kann nur anlegen. Regelvollzug. Jetzt fragst du, was gegen ein Leben in vollen Zügen einzuwenden ist? … dass die Stationen definiert sind? … dass die Richtung vorgegeben ist? … dass die Weichen gestellt sind? Zwangsläufig. Etwas völlig neues kann nur entstehen, wenn man sich vom Gleis der Historie löst. Tabula rasa – eine leere Tafel, auf der der Schatten der Geschichte nicht wie eine Schablone über der Zukunft liegt. Man könnte meinen, ich dementiere Demenz als Krankheit – dabei lasse ich nur den Gedanken zu, dass es vielleicht auch krank ist, wie man als Ewiggestriger damit umgeht. Das allgemeine Kantinengespräch besteht nun einmal aus Erinnerungen, aus Einspeisungen der Geschichte. Eine Retortenschlacht. In der Rekapitulation steckt immer auch ein Anteil Kapitulation. Zurück zum Bild: das Kind mit den Fragen in der Tasche … eine Pfütze, die in den Himmel schaut. Die Weisheit des Universums in einem Moment … Ich wünsche mir Google Brain – findet in Ihrem Gehirn den eben noch gesuchten jetzt aber vergessenen Begriff – was nicht gleichbedeutend ist mit Autokorrektur. Ein Schelm, der diese Worterkennungsmaschine programmiert hat, wie sonst erklärt sich der vorgeschlagene Begriff „Nacktschneckenbügeln“? Spontanverknüpfung … Heiß!!! Das eine oder andere bleibt besser in Erinnerung.
September.2014 Spekulatius
„Bitte alle Artikel aufs Band legen …“, Als würden wir Menschen uns nicht eh permanent überschneiden, kerbt sich ein Ellenbogen in meine Seite. Es ist ein illusorisches Unterfangen, unberührt den Kassenbereich passieren zu wollen. Der Bogen überspannt es. Ich hole zu einem krachenden Lächeln aus … bigott … unberechenbar seine Reaktion. Ich warte … Es gab eine Zeit, da habe ich mir erlaubt, zu spekulieren. Spekulieren im Sinne von mutmaßen. Blitzschnell erschienen alle vor- und unvorstellbaren Möglichkeiten parallel und in Reihe, farbenprächtig transparent und mit Untertiteln auf meinem inneren Flatscreen. Hyper- und Hypothesen. Ein Filmstreifen von der Rolle gelassen: a) Er wird mit den Worten „Oh, da haben Sie aber verdammtes Glück, dass ich den Bogen raus habe“ zurückweichen … b) er murmelt irgendwas von Handicap und Robin-Hood-Syndrom … c) Er schüttelt eine Hasenpfote aus dem Ärmel … d) Er verbündet sich mit dem nächst Nächsten und degradiert diesen zum Bogensekundanten … e) Er schaut mich tonarm an … f) Er reißt sich den Arm aus, um mich zu besänftigen (worauf sich dieser Hyperthesenast sofort in Hypothesen verzweigt: was mit einem Arm anzufangen wäre … f-a) naheliegend wäre die flotte Begründung einer Armada oder … f-b) der Versuch manuell gesteuerten Begreifens 3-dimensionaler Räume … f-c) als Fingerfood im Zoo und … g) Er holt sehr weit aus, hält ein Plädoyer für die Ellbogenfreiheit und zückt seine Börse … Spekulation – in Urzeiten sicher ein sinnvoller Verwaltungsaufwand. Heute ist solcherlei Energieeinsatz – wie damals auch – nur noch in lebensbedrohlichen Situationen angebracht. Hier kann sie den entscheidenden Sekundenvorteil bringen. Aber wozu um alles in der Welt mutmaßt man darüber, warum der Wagen vor uns genauestens die vorgeschriebene Geschwindigkeit einhält? Fahranfänger, Tempomattester, Geburtstagsverweigerer … sind Gedanken, die das Hirn verstopfen. Seifenblasen auf dem Hemd des eigenen Hoheitsgebietes. Das wird nie wieder porentief rein. Nicht mit Weißer Riese Ultra und auch nicht durch Brainwash bei 120 Grad. Mindestens der Schmutzrand bleibt. Ein sauberes Spiel bleibt es nur, wenn man die Regeln kennt (Schutzanzug oder Abstandshalter sind vorteilhaft, den Würfeln ist nicht zu trauen, alles ist möglich, jeder hat Recht) und vom Spiel weiß (Das Brett vor deinem Kopf ist nicht das Spielfeld). Ich schaue dem Rempler abwartend ins Gesicht und kreise inzwischen beobachtend über meinem Haupt, wie es sich für das Spekulieren nach alter Gepflogenheit geziemt … der Ellbogen schmitzt lachend zurück und wir gehen unverschämt unserer Wege.
August.2014 Auszug aus dem Programm
H**’s Aufstieg *** Heil H** – Die Russen kommen *** H** und Stalin *** H** und Mussolini besuchen Florenz *** H**’s Weg zur Macht *** H**’s Verbündete *** H**’s Stellvertreter *** H**’s amerikanische Geschäftsfreunde *** H** und der Wagner-Clan *** H**’s Manager *** H** – eine Bilanz *** H** – ein reicher Mann *** H**’s verbotene Liebe *** H**’s Sekretärin … verbotene Liebe? *** H** privat *** Berghof – H** ganz privat … intime Details mit Herzchenausschnitt vorm Donnerbalken *** H**’s Schatz im Berg … brauner Sch*** *** H**’s Raketentunnel … Eva, wo is’n das Klopapier? *** H** – wie er wirklich war … Eeevaaaaaaa? *** Böse Bauten – H**’s Architektur … Eva, schau doch mal! *** H**’s Helfer *** H** – Aufbau und Zerfall des Deutschen Reiches *** H** unterwirft Europa *** H**’s stählerne Haie *** H**’s letztes Schlachtschiff *** Der Untergang *** Das H**-Tonband … Verschlusssache (mit 3 S), Pandoras Blackbox *** H** – Wahn und Wahnsinn *** Apokalypse H** … now: rezeptfrei in der Apotheke *** H**’s Krankenakte … bitte freimachen *** H**’s Tagebücher hüllenlos *** Hipster H** … auf der Suche nach Authentizität durch Andersartigkeit? *** H**’s nützliche Idole *** H**’s Traum von Micky Maus – Zeichentrick unterm Hakenkreuz *** Wenn Adolf H** den Zweiten Weltkrieg gewonnen hätte … jetzt singt er auch noch *** H**, ein Popstar – Der Weg bis an die Spitze … wer bis jetzt nicht größenwahnsinnig ist, wird es mit Sicherheit bei dieser Aussicht auf Neuschwanstein *** H** und die Gleichschaltung … auf allen Sendern! Fernbedienung oder -steuerung? *** Adolf H** – Ein Mann gegen die Zeit … oder „Sein Kampf gegen Windmühlen“ *** H** – die letzten zehn Tage … 9, 8, 7, … 2, 1 …*** Tod im Führerbunker *** Der Tag, an dem sich H** erschoss *** Auf der Suche nach H**’s Leichnam *** Adolf H** lebt noch und wurde gefunden in Köln und nun sogar noch die Möglichkeit ewigen Lebens … aber in Köln? *** Heil H** und Alaaf! – Karneval in der NS-Zeit … echter GAUdi da in Kölle *** Speer und Er … in Köln? *** Mädchen für H** … also doch *** Pfarrer für H** – Kirchenmänner unter dem Hakenkreuz … Kreuzallergie – jeder nur eins! *** H** und die Frauen … Reinwaschung *** H**’s Madonna und die Retter der Raubkunst … der weiße Riese *** Überleben in H**’s Schatten … schnell noch die Gebrauchsanleitung für Wüstlinge nachgelegt *** H**’s letztes Aufgebot … und zum Sendeschluß die allesentscheidende Frage: *** Sind wir heute vor H** sicher? … nicht, solange wir die Glotze nicht rausschmeissen *** „Der tägliche H**“ im Programm der Öffentlich-Rechtlichen – läuft er unter Bildung oder Suchtmittel? Für diesen Stoff zahle ich gern den mir aufgezwungenen Rundfunkbeitrag. Preiset den Herrn!
Juni.2014 Zwischenmahlzeit
Die Vögel reißen sich nicht ums Gespräch. Monologe. Kerzengerade wächst mir die Himmelsscheibe über den Kopf. Die Flamme verdreifacht sich im Fenster – Doppelverglasung. Das DAZWISCHEN schaut mich an. Die Krähe auf der anderen Seite ebenfalls. Sie transparenzt stolz über den Dachfirst. Das DAZWISCHEN scheint sie nicht so sehr zu begeistern wie mich. Dabei ist DAZWISCHEN eine ganze Menge. Und in der Grundstruktur – alles dasselbe. Dasselbe zwischen uns und den Sternen, zwischen Kirchen und Moscheen, dasselbe zwischen Mauern und Wellblechwänden, dasselbe zwischen Tür und Angel, dasselbe zwischen uns, dasselbe zwischen meiner Stimme und mir, dasselbe zwischen meinen Pro- und Neutronen, dasselbe zwischen Quarks und Quark. DAZWISCHEN ist überall, ist ganz still und gleichzeitig in Bewegung, eine Art Vorfreude. Fühlt sich an wie die Erwartung des Weihnachtsmannes, damals, als es ihn noch ganz sicher gab. Ein Sack voll DAZWISCHEN. Trotz oder genau wegen dieser Masse desselben ist das Interesse eben mäßig. Unbeachtet fristet es sein Dasein. Da ist nichts – suggerieren mir meine Sinne. Dass da doch etwas ist, ein feines Netz aus Schwingungen – vielleicht sogar Verbindung – beweist sich in einem zeitgleichen Schnabelschnalzer. Dieser kleine Vogel setzt sich einfach darüber hinweg, dass nicht sein soll, was nicht sein darf. Ich versuche die Verbindung wieder herzustellen und morse minutenlang mentale Grüße mit Bitte um Antwort. Nichts. Es funktioniert nicht. Mein Verstand steht sich selbst im Weg. Scheint eine Frequenz zu sein, die mir – willentlich zu benutzen – unmöglich ist. „Schokoladeneiscreme?“ – krächzt es von nebenan. Ja, wir haben einen Draht. Da habe ich wohl aus Versehen den Lockvogel angemorst. Dann werde ich wohl nachher noch Federn lassen. Erstaunlich, wie wenig ich in der Lage bin, mich selbst zu steuern. Wo beginnt ein Gedanke und wo genau in meinem Kopf finde ich statt? Womöglich speichere ich Erinnerungen außerhalb meiner selbst. Irgendwo im Nirgendwo. Leider findet die Suchfunktion nicht alles wieder. Zum Beispiel die Geschichte mit … ja … SOKO Archive – Zugriff auf den Verzeichnisbaum. Das Blatt wendet sich … Zukunftsvisionen flattern mir von DAZWISCHEN zu. Capt‘n Future hat noch einige Kirschen im Keller. Was eingeweckt ist, kann aufgeweckt werden – hoffe ich. Lieber keine Piepmätzchen mehr heute! Ich bin inzwischen aufgeweicht. Ist es eigentlich dasselbe, einen Vogel im Bad zu haben oder im Bad einen Vogel zu haben? Merkwürdig zumindest. Ich speichere das besser ab – mit einem Schnalzen. Dann finde ich es ganz sicher unter S wie Sommersonnenwende.
Mai.2014 KEIN GRAMM ZUVIEL
„Sternfrucht an Spiralnudeln“. Ich denke augenblicklich an einen multiversalen Urknall. Das Kleine im Großen. Das unendliche Rezeptbuch. Steinbeißer und Prinzenrolle. Ende Neu. ich sehe mich um. Das Restaurant ist voll. Die Garderobe der Gäste entspricht den Preisen. Kostspielig. Meine fraktale Ordnung fühlt sich auf den Schlips getreten, doch ich wollte Einblick in die Karte. Das sieht mir selbstähnlich – ein subtiler Widerspruch. Ich überblende die Unannehmlichkeit und widme mich der Karte – als Vorspeise wähle ich Ursuppe vom Quastenfloss und bitte um Bedenkzeit was die weiteren Gänge betrifft. „Venusmuschelragout an Saturnringen“, „planckchierte Donauwelle im Strahlenmantel“, „Quasar Con Carne“ – ich bin enttäuscht. Die Menüführung ist weitschweifig, aber irgendwie schnuppe. Ich hatte mehr erwartet. „Was ist ist, was nicht ist, ist möglich“ – ein alter Schuhplattler – Ground Zero – und trotzdem lebt man in der Käseplatte seiner Dimensionalität. Ah … meine Suppe. Ich rühre in den Quasten. Zu galaktisch, die Dame. Mein Löffel verquirlt sich in einem … Haar. Das hatte ich nicht erwartet. Ich lasse den Koch rufen und muss mit einem Gerichtsvollzieher vorlieb nehmen. Ein Haar – er stottert etwas von Variationen auf Urknall und alles noch Theorie … zählt mir einiges auf, das von den Gästen nicht angenommen und wieder von der Karte gestrichen wurde: „Gernknödel mit Grützwurst“, „Mett-Tartar auf Krimsektallerlei“ oder „Himmel und Erde“ (eine Art Volksabspeisung). Aber das spielt keine Küchenrolle. Ein Haarriss ist noch kein Quantensprung in der Schüssel … Vielleicht nur eine Frage der Form? Der Gerichtsdiener eröffnet mir ein Ausgleichs-Angebot – ein Spezial für ausgewählte Gäste: „Quarksparfait à la Quant“ – eine halbgare These versichert er mir – für Escher mit feinem Geschmack. Wenn man den Ausführungen des Kochs folgen darf, ist hier alles genau da und so, wo und wie wir es erwarten … ein Paradox. Er bittet um unbedingte Aufgabe jeglicher Käfig- und Erwartungshaltung. Na gut, ich erkläre meine eigene Unschärfe und das möglichst ungenau. Dann warte ich. Ich erwarte erwartungslos meine Spezialität. Ich warte und beobachte währenddessen, wie die Zeit entsteht und der Appetit vergeht sowie eine Fliege bei der Brechung von Gravitations-, Relativitäts- und Verschränkungsprinzipien … bis zum Verlassen meiner Umlaufbahn. Von der Scheibe zur Kugel zum Uni- zum Multiversum zur unendlichen Umkehrung … – es führt zu nichts, nur immer weiter, im Großen wie im Kleinen. Das hatte ich nicht erwartet. „Welch eine Delikatesse …“. Alles ist möglich, sogar Götterspeise zum Dessert – sogar gestürzt.
April.2014 HUMORLEICHEN
Alle Maschinen Stop. Damit war nicht zu rechnen. Sie läuft über. Beide Fahrstreifen halten die Luft an. Bei der Fokussierung auf ihre Bahn und dem Versuch sie zu erwischen, erwischt sie beinahe der Sensenmann … Sie bemerkt es nicht, steigt ein, besetzt einen Fensterplatz und kullert weiter durchs Leben. Ich seh’s ihr nach. Ich bin nicht mal überrascht. Unbewusst verhalte ich mich ähnlich. In manchem Fall ist so eine Bewusstlosigkeit ja auch fruchtbar. Die ergreifendsten Kunstwerke wurden nur durch ihren Beistand geschaffen – Adjutant Diabolo. Sobald sich ein ICH einmischt, ist die Tinktur verdünnt und es bleibt bei einem Kunststück. Ein Kunststück übrigens auch, was die Öffentlich-Rechtlichen bei vollem Bewusstsein zusammen mixen: „Spektakuläre Morde, …“ im Vorabendprogramm preisen den Tatort. Herzlichen Glückwunsch für diese gelungene Wortkombination. Salto Mortale – sensationell. Was sich da abspielt? Gesellschaftsformung oder Tatbestandsaufnahme – sicher bin ich nicht. Mindestens eine Zirkusnummer wenn nicht sogar Dressur. Kombiniere: „SuggesTV – denken Sie jetzt nicht an einen Elefanten“. Eigentlich fast nicht vorstellbar, dass sich die Medien keine Gedanken um die Reichweite machen. Trotz allen Bedachts, muss ich einrüsseln, hinterlasse auch ich Leichen auf meinem Weg. Bei der Fokussierung auf den Wildwechsel und meinem Bemühen, niemandem zu nahe zu treten, zerstöre ich ein Netzwerk und reiße im gleichen Schreck ein Haus ein, knicke Zweige, werfe einen Tiger aus dem Schlummer, bringe Geziefer um ihr UN-Mandat … Ich komme nicht umhin, Verantwortung zu übernehmen. Die Konzentration aufs Detail nimmt mir den Blick für den Raum. Alle Maschinen Stop. Mich nicht zu bewegen, bringt mich nicht um die Fragestellung und weiter schon gar nicht. Ein geworfenes Handtuch sichert nicht unbedingt den Platz in der ersten Reihe. Bei dem Versuch das Problem im Kern zu fokussieren, brennt meine Sicherung durch. Konzentrieren – Zentrieren – Dezentrieren. Das Zentrum scheint die Mitte zu sein. Wenn die sich aber am Raum orientiert … und der Raum nicht definierbar ist … Tragikomisch – während ich mich auf die Problemlösung konzentriere, verliere ich das Feuer aus den Augen. Pinguine am Aschermittwoch. Ich komme nicht zum Punkt. Die Bündelung eines ganzen Raumes braucht mehr Energie als ich zur Verfügung habe. Ich werfe ein paar Zuckerwürfel. Pasch. Mit zwei Augen kann ich höchstens beide Augen offen halten und das Weitere meiner Intuition anvertrauen oder jemandem, dem ich vertraue …
März.2014 BINÄRCODE
„Die hängt aber durch“ … zeigt mit dem kleinen Wurstfinger auf eine vollbepackte Honigbiene. Mutti wirft ein Fettauge auf ihren Moppel (eine Variation des Dürerschen Hasen auf den Spuren der Evolution – Malzeit!) „Ganz eine fleißige“, die Krone der Schöpfung selbst trägt einen Hinkelstein um den Hals. „Und so ein flottes Kostüm …“, flötet ihre Aerobigpartnerin „… aber diese Querstreifen …, … unvorteilhaft“. Die Affinen schmieren sich Honig ums Maul. Der Mundraub der Sabinerinnen führt bei den Majas zu unbezahlten Überstunden in der Blütezeit (klingt weit hergeholt, ist es auch), beeinflusst vielleicht sogar Honigqualität und Körbchengröße. Ausbeutelung. Wir nehmen den Summseln die vollen Honigtaschen ab und schicken sie zurück in den Brummkreisel. Eine neue Art Binärcodierung. Aber darüber denken wir später nach … Anfänglich (zu Urzeiten) lag der Focus auf kleinstmöglichem Energieeinsatz, um die leeren Batterien wieder aufzuladen. Zwischendurch wurde Ruhe bewahrt. Seit einiger Zeit decken wir uns aber so fett ein, dass wir unter der Ladung kollabieren. Wir kreiseln zwischen Fettlebe und Magerine. Reinbuttern – das volle Panorama (ein Pleonasmus mit überflüssiger Geschmacklosigkeit). Wir drehen uns um E-Beschaffung, E-Aufnahme, E-Umsatz, E-… Ganz anders im Tierreich: „Schatz, ich mache jetzt nur mal so ein kleines Läufchen durch die Savanne – für die Löwenfigur“. Wo findet man ein verlorenes Maß? Im Regelvollzug? Wir arbeiten ums Essbare, als hätten wir Knast. Allemann Ackermann. Mehr ackern, mehr essen, mehr schwitzen, mehr Zweck, mehr Mittel, mehr Weg, mehr Wert, mehr Zahl, mehr Kreuz, mehr Fahrt … auch gern mit Schwimmring. Hauptsache mehr. Und jede Mehrenge bringt uns ins Strudeln. Wir haben aufgehört, uns an die Strömung anzuschmiegen. Brauchen wir auch nicht. Wir sitzen ja im Boot. Natürliche Auslese schafft der Mensch langsam aber konsequent für sich ab. Was uns momentan als fortschrittlicher Kahn erscheint, könnte allerdings eine Technologiefalle sein. Survival of the fittest – der anpassungsfähigste überlebt. Ist klar, wie das endet. Die Bienen … Also warum den Speckgürtel enger schnallen? Der Doppelkinnladen läuft ja. Konfetti und Helau. Pflaume in Speckmantel – in unseren Breiten grad im Angebot. „Mehr fettzt“. Wer findet sich schon zurecht im Dickicht von Schmalkalden? Wenige. Nur der eine oder andere Suppenkasparow ist schon ein paar Züge voraus.
Feb.2014 ABRAKADABRA
„Osmose (gr.σōsmós) ist die spontane Passage von Wasser oder eines anderen Lösungsmittels durch eine semipermeable Membran, die für das Lösungsmittel, jedoch nicht die darin gelösten Stoffe durchlässig ist“ (Wikipedia) … ich schaue mir die runzlige Zehe genauestens an. Das man sich beim Bade eine Osmose zuziehen kann, ist eine Information, die mir jegliche Wonne nimmt. Der Badezauber entrinnt in den Ausguß. Aufklärung grenzt schon ein wenig an Pökelei. Der Mob verdickt sich. Da hab ich wohl keine Wahl. Für „is ma ejal“ ist es einen Moment zu spät. Die systematische Untersuchung von Haut und Haar während des Badeprozesses schrumpft meine Schaumkrone. Ich bin noch nicht mal Schöpfung. Ich bin ein simples System. Eine chemisch-biologische Synthese. Ein Zellkonstrukt, das, in seine Teile zerlegt, nicht mehr, als ein Bausatz aus salzigen Hautlappen mit halbdurchlässigen Eigenschaften und klapprigen Knochen ist. Ich fühle mich osmotiviert. Da ist nichts magisches mehr an meinen Fußsohlen. Eben erschienen sie mir noch geheimnisvoll mit ihren Nasca-Linien. Wie eine Art große Kunst. Jetzt sind sie verbastelt, in kubistische Form gelegt und mit realistischer Funktion unterspült. Ein sezierter Picasso, die durchschaute Mona Lisa. Im Nachgang interpretiert, ist das Ergebnis von Analyse immer auch ein Verlust an Magie. Im Voraus berechnend, reduziert man das Entstehende auf eine rationale Menge aus Pi mal Daumen. Aber Kadabra wird dabei unterschlagen. Doch ohne die Zauberformel wird das nichts mit dem Gebräu. Null plus eins ist eins. Die Mathematik ist eine verflixt angenehme Erfindung. Aber vielleicht auch genau nur das: ein selbstbezügliches Rechenmodell … „mit einer Aussage, die ihre eigene Gültigkeit voraussetzt, ist alles beweisbar.“ (H. Curry) – paradox. Abra fax, wenn uns da schon in den Anfängen ein Fehler unterlief? Ähnlich einem angelösten Sudoku – passt genau so lange, bis die Rechnung nicht auf geht. Ich an meiner Stelle würde mich wie kalt geduscht fühlen. Wie komme ich nun wieder raus aus diesem mentalen Muster? Die Uhr schlägt ein mal null. Letzte Runde – ich vertrete mir und dem Vierbeiner noch einmal kurz die reproduzierbaren Stumpen. Dunkel liegt der Weg. Die Nacht bäumt sich in den Raum … die Nacht … ich werde einen Trüffel tun, sie in ihre Bestandteile zu zerlegen. Offenes Licht in eine Sache zu bringen, verendet im dümmsten Fall in einem Brandschaden – diffundierten Angaben zufolge. Die Nacht … sie singt. Ich höre zu und mische ein: Die Nacht fällt in Ringen, die sich verschlingen und nichts löst sie auf.
Jan.2014 FROM DUST …
Mit beiden Händen tief im Schlamassel meiner Kommode versuche ich meinen Tastsinn zu verfeinern … Nachthemd, Nicki, eine Socke, was weiches wollenes, eine Socke … dieselbe! Pullover, Pullunder, Pyjama, Pelerine, Puschen … die Richtung stimmt … aber das ist nicht, was ich suche. „Findet sich!“… ein Kamm – na wundervoll. Der kommt meinem Verlangen nach Perfektion gerade recht. Verwirrtes Haar, aufgelöste Nerven, verknotete Kabel, verhedderte Synapsen – alles durcheinander. Über Nacht hat sich das Chaos bis in meinen inneren Bereich ausgebreitet. Schon gestern fiel mir die Unordnung draußen ins Auge. Laubverwehung und der verwegene Versuch eines Laubenpiepers mit einem Gebläse gegenzusteuern. Wirres Geschwätz der Leute über die Pläne von und für morgen. Alles gut und schön, aber nicht in meinem Raum. Ich muss die Konfusion beseitigen … und beginne am Boden. Ein Röcheln. Der Sauger verschluckt sich sofort mit einem unerhörtem Unterton. Was zur Hölle …? Fühlte sich irgendwie organisch an. Was es auch war, es wird sich im Filter festsetzten. Dem Klang des Saugers nach zu urteilen, ist der Behälter voll. Also: open the box and be surprised. Im Filter hängt nichts. Jedenfalls nichts sicht- oder fühlbares. Der Behälter platzt dafür beinahe aus der Selbstbeherrschung. Es ist 3 Uhr früh und irgendetwas scheint mir hier defekt. Nicht in Ordnung. Wenn alles ungefiltert durchginge, wo führte das hin? Zur Sicherheit untersuche ich den Schlauch – meinem Tunnelblick entgeht nicht mal nichts. Dafür belohnt mich meine Nachforschung mit einer Nahtoderfahrung: das Ende ist offen. Vielleicht setze ich mich mal kurz zur Ruhe. Ich bin sicher, dass da was war, dass da was ist. Rauchen und lösen. Was sich zuerst löst, ist der Filter und bleibt würdevoll in meinem Mundwinkel kleben. Hier stimmt was nicht. Der Rauch verquirlt im Raum. Worauf will mich das hinaus? Eine Ahnung – nur eine Ahnung erinnert mich an den letzten Kinobesuch und die Frage ob eine 3D-Brille filtert oder im Gegenteil … ermöglicht sie mir einen Einblick in eine Dimension, die ich mir nicht vorzustellen wage. Ungefilterte Wahrnehmung. Sieben und sieben ergibt ganz feinen Sand – in den Augen. Nicht gerade eine Sehhilfe aber wohl eine Einsicht. Kein Korn wie das andere (so die Theorie). Ungeheuerlich erscheint mir plötzlich der Wunsch nach der einen Wahrheit. Ich begreife noch nicht einmal das, was greifbar ist … Bevor ich irregehe, leere ich mal lieber den Behälter. Sternenstaub (noch so eine Theorie) und … HA! Wusst ich‘s doch. Das organische Ding schlingelt sich durch meine Hände … eine Socke. Könnte meinem Filter entgangen sein, weil’s mir zu nah geht.