KONSERVIERUNG IN FISCHGRÄT

Ich besteige den Ölberg auf Socken. Ein Himmelfahrtskommando. „Den Weg geht‘se ma‘ nie – hat‘se jedacht“. Aber denken ist eben nicht immer der Weisheit letzter Schluss. Am Ende wird alles gut. Und die Hoffnung stirbt zuletzt. Denkbar unerfreulich, denn demnach stünde am Ende das Ende unter Verdacht, verlässlich zu sein. Auf dem Boden der Tatsachen angekommen, wird jeder Schritt reine Meditation. Die eintönige Bewegung schleift sich ein. Das hier ist kein Sightseeing in der Bretagne. Eher ein Treibholzdeal über den Jordan. Der Weg geht sich von selbst. Reinigend kratze ich mit dem Spachtel die alte Farbe ab. Schichtweise reise ich rückwärts bis zur letzten Lage. Holztapete auf Holz. Bemerkenswert was Menschen für wertvoll, zu tun erachten. Eine Generation streicht mühsam ein, eine andere geizt alles komplett wieder ab. An manchen Stellen ist der Lack so dick aufgetragen, dass man unmöglich ermessen kann, was darunter ist. Eiche gelegt, Kieferbruch oder es sinkt mir die Lärche … Doch es ist der Mühe wert. Astloch und Leistenbruch sind mir kein Dorn im Auge. Es ist wirklich ergreifend, was zum Vorschein kommt, wenn man am Grund anlangt. Wäre es seltsam, einen Boden mit Parkett aus humanoiden Überresten zu belegen? Konservierung in Fischgrät: Herr von Hagens „Körperwelten“ jetzt auch im Hagensbaumarkt. (man verzeihe mir diese Platte) Das Bund „reine Arier“ für 12,- Euro brächte mich in Verlegenheit. Moralisch einwandfrei wäre das unter heutigen Gesichtspunkten wohl nicht. Denn zuvor müssten dem Baum Menschenrechte zugesprochen werden – und das wäre ja wohl der Gipfel. Jetzt, wo wir gerade im Begriff sind, dem Erdzeitalter unseren Terminus aufzudrücken. Not-Good–at–all. Da erkennt man im Umkehrschluss, was die Bretter der Welt bedeuten. Anthropozäneknirschend lasse ich den Gedanken sausen und bereite eine letzte Ölung vor. Die sensible Nacktheit nimmt jede Spur auf, wenn man sie zu lange der Witterung aussetzt. Um den Fleck wieder zu löschen, müsste man an die Substanz gehen. Ein Streich der menschlichen Natur. Geölt läuft eben wie geschmiert. Das Öl dunkelt etwas, aber es bringt die feine Maserung noch heraus. Ich ergötze mich an meiner Freilegung. Wunderschön. Einzigartig. Ich bin kurz davor, Oliver Twist zu tanzen. Die dicken Socken bleiben an.

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