2017

dezember.2017 Spinnerei

Links schräg quer gerade runter rechts hoch … Ohne nachzudenken als müsste es, als ginge es nicht anders, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. Und … fertig. Sie rennt ins Zentrum ihres Werks und wartet. Selbstverständlich auf Beute. Ich bin weit entfernt davon. Meine Uroma war schon näher dran – Beuteschema hin oder her. Wenn die netzte, lief der Faden auch geradewegs ohne Denkpause. Herrlich versunken schien sie dabei und meist nicht ansprechbar. So konnte sie mir auch nie das Geheimnis des Netzens verraten. Ich bin, wie gesagt, weit entfernt. Knoten gelingt mir dagegen sehr gut. Lange genug über irgendetwas nachgedacht, verheddert sich der Faden von selbst. Und schon zappelt man verklebt im Netz des Herrn oder des Kosmos oder des großen Ganzen oder des www. Je nach Sicht. Auch schön, ein Teil im Spinn des Schicksals zu sein? Wie man`s nimmt. Es isst wie es isst. Und es frisst seine eigenen Kinder. Kanibal lecker. Essenziell in der Speisekammer Gottes, bewegungsunfähig auf die Verzehrung wartend – ein Gedanke, der sofort abgeschüttelt werden möchte. Die Spinne bessert nach. Wenn man sich schnell genug bewegt, kommen die Gedanken eh nicht hinterher. Also hurtig, hurtig würde Uroma sagen und mit flinken Fingern den Faden aufgreifen und weiterspinnen.

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november.2017 Wahlgang

„Oh schön, du hast den Weg entkrautet.“ Hmm, ich hatte das Gefühl, wenigstens eine klare Linie in dieser Verwirrung hier zu brauchen. Aber ich seh grade, es führt zu nichts. „Doch, schau mal, jetzt kann ich hier wieder mit meinem Rollwagen lang fahren. Und nasse Füße gibt’s auch nicht mehr.“ Dafür kalte. Ich empfinde diese Ordnung eher als Störung. Sie ist irgendwie maßlos. Sie verlangt nach mehr. „Ich wollt’s vorhin schon sagen: Das ist ein Anfang. Von da aus kannst du dich nach links und rechts vorwagen.“ Rollwagen, vorwagen, Wagenknecht … die Pyramiden von Gysi! „Hättest du schon eher …, dann wäre vielleicht sogar die Wahlbenachrichtigung in deinen Kasten gelangt. Mit dem Postwagen!“ Und? „Dann hättest du wählen können.“ Kann ich doch jetzt auch. Links oder rechts oder Mitte. Ist nur meiner Ansicht nach ein bisschen wenig Auswahl, wenn alles Weitere nicht zur Debatte steht. „Irgendwie maßlos dein Verlangen, oder?“ Ich dachte, eine gerade Linie wäre wegweisend. Aber dieser Weg hier ist eben keine Rolltreppe. Er beschränkt die Auswahl auf nur eine Ebene. Und da will ich nicht hin, da bin ich schon. „Könnte es sein dass dir da zu viel wollen im Weg steht …“ Hat Wahl nicht immer was mit Wollen zu tun? „Wählen schon, die Wahl haben nicht. Du wirst den Weg, den freigelegten, also nicht gehen?“ Ich komm ja aber auch nicht drumherum. Vielleicht lasse ich erst etwas Gras darüber wachsen.

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oktober.2017 Eulerscher Zahlensalat

Abstrakt gesehen ergibt es eine Ungleichung, Leben im Resultat als absolut unberechenbar zu beziffern. Absolut souverän für sich betrachtet gibt es eine einzige Konstante: die Rechnung geht nicht auf. Jedenfalls nicht im Sinne klassischer Mathematik. Was unterm Strich nichts bedeutet, und damit, paradox oder nicht, die Unwahrscheinlichkeit einer Anomalie. Die Vision durch null wäre quasi definiert. Ein Leben ohne Beobachter. Zeugnislos wäre es möglicherweise berechenbar. Berechenbarer. Das Ergebnis bliebe brüchig, könnte man sich selbst nicht als Posten aus der Rechnung nehmen. Nun könnte man über Toleranz sprechen und einen Rest „ich“ mitnehmen. Überschlagen wäre z.B. ein Ansatz. Die eine Stelle nach dem Komma oder sagen wir lieber die ungeheuerliche Wahrscheinlichkeit, dass es in der Summe die Faktoren sind, die abgerundet, das Ganze im ungenauen lassen. Genaues weiß man nicht. Und da kommen wir auf die Potenz zu sprechen, die … „Esse mal was, Deern. Rundstück oder Teilchen?“ Paradox lebensnah die norddeutsche Mundart aber mit Tafelwerk kommen wir nicht zu Potte. Es rechnet sich wohl nicht, den Fehler zurückzuverfolgen oder auszuklammern. Er folgt )zuverlässig(.

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August.2017 Glatter Durchschnitt

Du schneidest doch nicht wirklich den Rasen mit der Schere? Doch, echt ganz real, ich nehm’s wies kommt. Das macht doch überhaupt keinen Sinn. Das ist die Frage. Macht was Sinn? Das ist nicht gerade eine kleine Wiese, die du dir da ausgesucht hast. Stimmt und es ist zudem irgendeine. Ja, völlig sinnlos. Vielleicht ja. Aber ist Tun im Allgemeinen nicht sinnlos? Natürlich nicht. Wie kommst du darauf? Ich tu’s. Na, ich auch. Mit der Schere auf irgendeiner Wiese. Vielleicht eine Art Autismus? Ich meditiere über die Sinnhaftigkeit des Tuns. Und dazu muss man etwas absolut sinnloses machen? Vielleicht ist es ja auch nicht sinnfrei. Immerhin ergibt sich eine Form. Du meinst den unbeholfenen Kornkreis den du da schnippelst? Ich dachte eher an die Form Vollendung, die mit jedem Schnitt an Boden gewinnt. Vielleicht hätte es ein neuer Haarschnitt auch getan. Ob ich jetzt Gras schneide, Haar schneide oder eine Schnitte schmiere ist vielleicht Butterbrot. Hauptsache du schneidest gut dabei ab. Guter Gedanke. Vielleicht geht es beim Tun genau nur um den Schnitt. Aufschnitt. Was bleibt denn von all dem Getanen? Dein Rasen wächst jedenfalls rasend schnell nach. Dein Haar ebenso. Und das Butterbrot? Oder eine Komposition? Kompost, würde ich sagen. Am Ende geht alles in die Wiederverwertung. Dann kann man’s ja auch lassen. Ja, lassen wir das, aber dazu müssen wir es vielleicht erstmal tun.

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Juli.2017 Freigang

Eene, meene, muu und raus bist du. Mit einem Zug nach E1 wirft sich die Dame vom Brett. Draußen! Kein Bauer, der einem an die Wäsche will, kein überLäufer und kein erschlagender Turm. Keiner, der bestimmt, wo’s langgeht und niemand, um den sich alles dreht. Sehr entspannt. Denkt sich die Dame von Welt. Hier draußen ist nichts. Alles was ist, ist eine Dame, die keine Dame ist hier draußen … ist sie ebenfalls nichts. Bedeutungslos, dass sie im Spiel alle Wege gehen kann. Bedeutungslos, welche Farbe sie hat. Bedeutungslos ihre Figur … bedeutungslos, bodenlos, bedingungslos. Los der Freiheit … die Stille atmen, am Rand der Welt ein Boot klarmachen, das Spiel von weitem betrachten. Alles scheint möglich. Die Dame denkt an Auflösung. In einer Welt ohne Struktur und vorgetretener Wege wäre es das Beste, sich der Figur zu entledigen. Ohne oben und unten ohne schwarz und weiß ohne Spielführer wäre es ohne weiteres möglich, denkt sie … sie denkt … wer denkt, ist – gefangen. Es sind die eigenen Gedanken, die einen zur Schnecke machen. Drinnen wie draußen. Das Ende ist determiniert. Eine Farbe wird gewinnen. Welche, ist unerheblich. Und wer niemals fliegt ist der König! Der Schalter ist im Kopf. Er muss doch hier irgendwo … er kann ja nicht … er … mit einem Windstoß fällt das Kartenhaus in sich zusammen. Schachmatt. Aufstellung! Alles von vorn! Ein Springinsfeld müsste man sein. Eben dann und wann rein und wieder nach raus. Der freie Wille – das ist eine andere Geschichte. Mit etwas Geschick verkleidet sie sich als Menschärgerdichnicht und mogelt sich so durch.

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Juni.2017 Spaßvogel

Was machst du nur für Sachen! „Aber ich wollte doch nur …“ Ja, und nun schau, was du angerichtet hast. Zerbrochen. „Ich hab das angerichtet, weil ich dir … !“ Ich hoffe, du hattest Spaß dabei. „Oh ja, den hatte ich.“ Schön, schön. Dir ist sicherlich klar, dass du damit dein Leben verkürzt hast. „Hab ich das?“ Natürlich. Dinge die Spaß machen, lassen die Zeit in Windeseile verfliegen. Zum Beispiel dein Leben. Husch Ha Ha vorbei. „Du meinst, Leute machen Dinge die Spaß machen, damit sie ihr Leben so schnell wie möglich hinter sich bringen?“ Warum sonst? „Na wegen des Spaßes.“ Das denken sie vielleicht, aber wenn sie wüssten … Spaßbremsen haben viel länger was vom Leben. „Komische Käuze. Bist du so einer?“ Aber ja, mit vollem Enthusiasmus. „Ist das nicht auch eine Form von Spaß?“ Schon, aber eine nachhaltigere. „Spaß ist nicht gleich Spaß?“ Ist nicht gleich Spaß, ich lach mir ins Fäustchen und du dir in die hohle Hand. „Aber mein Lachen scheppert mit Nachhall.“ Das ist nicht dasselbe wie Nachhalt. „Also soll ich jetzt darüber nachdenken, ob ich Spaß oder Spaß habe oder was?“ Na wenigstens darüber, ob es das wert ist. War‘s das? „Was?“ Wert? „Ich würde sagen ja. Schau was ich angerichtet habe: Sahne-Ruccola an Parmesanbruch. Kosten?“ Hmm … Mehrwert, geb ich gerne zu.

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Mai.2017 Kiefernorthopädie

Mollusken gleich wallen wir wohlig im staubigen Sand, schubbern uns die nackte Haut an den grauen Halmen. Grunzend räkeln wir uns im feuchten Schlamm am Ufer … Du hast eine Spinne im Haar – ich eine Klette. Natur wir sind. Die Sonne entlockt unseren trocknenden Pelzen ein laues Müffeln. Gähn. Ich springe auf und hole uns ein Stöckchen … Hundstage. Es schnüffelt nach reifen Kienäpfeln und Thermik. Die Kiefern knacken. Sie zermahlen mit ihrem losen Nadelwerk die Sonnenstrahlen. Schreddern die Stille in eine ganz eigene Sprache. Bäumisch. Nicht ganz abwegig lässt sich ein Zapfen fallen. Er könnte alles bedeuten. Oder nichts. Ein Sprache zu lernen, erscheint nicht schwer, wenn sie mit einem Aktionsmuster zusammenhängt. Ich erkenne erstmal keines. Gut, ich bin eingeschränkt durch die Möglichkeiten meiner Wahrnehmung. Vielleicht muss ich nur länger beobachten. Das Blattwerk kann ich schon mal ausmustern – sprachlos in unbelaubten Zeiten? Unwahrscheinlich. Ich gehe einfach davon aus, das Bäume eine gemeinsame Sprache haben. Einen Fixpunkt muss ich mir schaffen. Auch wenn die Beweislast drückt. Wo beginnt Sprache und wo endet sie? Im Unaussprechlichen? Ich zweige ab. Vielleicht reden sie unterirdisch oder über mich. Just in diesem Moment habe ich das Gefühl sie quietschen vor Lachen. Wurzel­extrakt & Rindenwahnsinn. Es sind deine Kiefern die mir quietschend einen Gummiball anbieten. „Na?“ „Na klar!“ Ich werfe, du fängst. Ganz nebenbei fällt ein Wort. Mein Aktionsmuster
erklärt sich von selbst. Wie im Rausch höre ich die Kronen jauchzen …

kiefernorthopädie

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April.2017 Spielverhalten

Es ist nur eine Theorie. Meine Theorie. Ich könnte dich nach deiner fragen aber damit würde ich das Spiel manipulieren. Möglicherweise sogar zu meinem Vorteil. Möchte ich aber nicht. Ich schaue in meine Karten. Könnte eine Straße werden oder ein Weg. Es fehlt nur eine Karte in der Reihe. Die Kartenausgabe ist willkürlich. Da kann man nichts dran drehen. Drehen kann ich die Karte selbst aber es bleibt ein Spiegel. Mir bleiben Ordnung und Abwurf. Vielleicht habe ich diese Kunst bisher unterschätzt, so wie meine eigene Hand. Die steckt das alles locker weg. Beinah gekonnt und doch vollkommen ungelenkt. Und dann entsteht vor meinen Augen – überraschend – ein Weg. Herrlich. Einen Weg zu haben, den man gehen könnte. Ja, es fehlt ein Kartenstück. Navigationssysteme sind auch nur in Verbindung mit Verbindung verbindlich. Ich halte es für überschaubar. Könnte man improvisieren oder lassen. Ein Kartentrick ist keine Zauberei. Ich möchte ja auch gar nicht gewinnen. Ich möchte sogar nicht spielen. Jedenfalls nicht nach diesen albernen Regeln. Ich möchte lieber einen unvollständigen Weg als einen Pasch ins Gesicht. König, Dame, Bube … eine Assel im Ärmel macht noch kein Kellerkind. Ich nehme meine Figur aus dem Spiel. Wenn weiter gespielt werden möchte, bitte. Es möchte. Gut – dann alle Karten auf den Tisch! Könnte ein Quantensprung werden oder ein Satz über den Tellerrand. Das wäre eine runde Sache. Ich lege meinen Weg vor und will sehen.

quantensprung
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März.2017 Küchenrolle

Die Pfanne an der Wand – ein matter Spiegel meiner Ungerührtheit. Vielleicht bin ich noch zu verschlafen oder endlich einsichtig. Meine Augen liefern mir jedenfalls ein unbekannt klares Panorama. Sogar der Balken integriert sich unauffällig ins Gesamtbild. Schafft geradewegs eine Überleitung. Das Kabel der Lampe verwildert in den Luftraum. Rankt sich um eine Kette aus Ungewissheiten. Die Obstschale verwächst sich ins Überreife. Meine Küche lebt eine Art Stillleben. Eine leichte Patina liegt über allem wie ein mattes Dressing. Alles in Ordnung, kein Grund zu handeln. Es geht kein Druck aus von der Zitronenpresse. Die Zitronen selbst sonnen sich genüsslich in ihrem gelb. Süß sehen sie aus wie sie da so lümmeln neben den faulen Trauben (blau) und einem vertrocknenden Granatapfel. Ein halber Handschuh verstrickt sich zwischen morschem Ingwer und einem irrwitziges Lineal. Irgendwie vermessen. Doch auch nicht maßlos. Es hat genau da seinen Platz. Der Grund verschwindet in einem Krümelmeer. Seine Wellen vermischen sich genüsslich plätschernd mit denen der Morgensonne. Es scheint alles fein aufeinander abgestimmt. Von Meisterhand angeordnet und ausgeleuchtet. Ein paar Sonnenstrahlen eruptieren auf der kalten Herdplatte. Ein Topflappen gibt sich etwas läppisch verkohlt. War er doch einmal schwer enflammt. Dazumal. Omas Zuckerdose hält sich bedeckt neben einem Kaffeefleckpollock. Die im Staub erstickte Kerze wirft einen zarten Schatten auf ein Stiftemikado und verzettelt sich am Ende. Nichts hier wartet auf irgendetwas. Eine Klopapierrolle auf dem Kühldeck lässt sich friedlich gehen. Die weiße Flagge rührt sich leicht, als ginge ich zu weit, als machte ich zuviel Aufhebens um die Krümel am Boden. Und sie liegt richtig. Alles hier liegt genau richtig. Eine Einsicht, die klarer nicht sein könnte. Wenn alles am rechten Fleck ist, dann bin ich es wohl auch.

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Feb.2017 Die kleine Unruhe

Manchmal zwickt sie dich und dann rennst du wie angestochen los. Ich schau dir zu, ganz in Ruhe. Von links nach scharf links und dann quer zum Strich zur Tür und Retour. Du fummelst im Küchenschrank, zerrst an der Decke, knusperst am Kabel, pflückst am Läufer, hinterlässt eine Pfütze, trittst sie breit, schnüffelst an einer Fluse, zupfst an meinem Hosenbein, fegst zum Kühlschrank, saugst durch die Dielenritzen, zwickst mich in die Ferse und da renne ich auch schon los. Zur Küchenrolle und mit ihr zur Pfütze. In einer Hand das Kabel, in derselben die Reste vom Läufer dich an meinem Hosenbein. Wir rasen gemeinsam zur Tür. Du schaffst es nicht bist raus. Hmm. Ich sammle dich und uns und ziehe die Reißleine. Spüle und klemme dir die Nase in der Klotür. Wir halten kurz inne.  A t m e n !  Du gähnst und legst dich in dein Körbchen. Fein. Jetzt hab ich sie am Hacken. Sie tickt. Was mach ich denn jetzt mit ihr? Die kleine Unruhe lässt sich nicht einfach abschütteln. Vielleicht stecke ich sie in den Kühlschrank. Vielleicht erstarrt sie da. Vielleicht auch nicht. Jetzt brummt sie. Gut, so geht‘s nicht. Wenn ich könnte, würde ich sie in Strahlung umwandeln. Dann könnte ich die Lichter löschen und in Ruhe ein Buch lesen. Leider bin ich keine Leuchte, was das angeht, sie brummt weiter. Ich könnte sie dir zurückschenken aber das wäre ein ewiger Kreislauf. Also wohin damit? Ich könnte sie in Bewegung umsetzen aber ich sitze gerade so schön bequem. Vielleicht bewege ich nur meine Hände oder meinen Geist. Wäre sinnvoll, geht aber ins Leere. In der Unruhe liegt tatsächlich keine Kraft. Sie tickt einfach nur oder brummt. Du schnarchst inzwischen. Sehr schön. Aber was mache ich mit der fiesen kleinen Unruhe? Ich versuche sie auszusitzen. Aber sie brummt wie tausend Hummeln. Sie klopft. Jetzt klopft sie auch noch. Was will sie denn bloß? Ich öffne die Tür. Mutti!!!. Ha!!! Ich zwicke sie in die Wange vor Freude und schon hab ich die Unruhe weg. Prima.

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Jan.2017 Bitte um Aufschub

Es ist doch Sonntag – schon mein erster Gedanke hat einen verschobenen Beigeschmack. Eine Analyse der Helligkeitswerte lässt mich den Morgen als „noch früh“ einstufen. Vorm Haus ist die Hölle los. Meine Ohren zählen 3 Schneeschieber und 5 Stimmen. „Die Vögel sind noch still – sehr früh“ also. Das Geschehen dauert. Mein Leib nimmt eine Wendung und rückt vom Erheben ab. Noch nicht. Als schlaftrunkene Summe ergibt sich mir in meiner Vorstellung ein Bild. Heftiges Schneetreiben über Nacht, 40 cm Neuschnee. Die Nachbarn in Panik und mit Stirnlampe. Großes Palaver darüber, wohin damit. In Randzonen verschieben oder gleich ganz über den Gartenzaun? Es schiebt sich leichter, wenn der Schnee noch frisch ist, sagt mein Vater. Damit entschuldige ich die frühe Lärmbelästigung. Zweiter Anlauf. Mein Körper rollt sich aus seiner Schlafmulde. Augenreiben am Fenster. Ich erinnere mich. Wir hatten einen Traum. Erwartungshaltung: hoch. Enttäuschung: hoch. Nachträgliche Entrüstung: außerordentlich. Es liegt ein Hauch von Schnee. Niedergeschlagen denke ich an Schiebung? Was sind wir Menschen seltsam. Was bewegt uns sonntagsmorgens um 6 aus dem Bett auf die Straße? Ein klitzekleiner Anlass? Revolutionen haben so begonnen. Die deutsche Gesetzlage? Bis 8 hat alles rein zu sein. Oder habe ich als einziger in dieser Straße noch einen Sinn für Schneealtät? Für die feinen kleinen zarten einzigartigen Kristalle? Jede Flocke ein Einzelstück. Sie alle über einen Haufen zu kehren, bevor ich noch Zeit für eine Schätzung hatte – sehr schade. Was mich wirklich überrascht, ist die Dynamik der Masse. Da wird aus einer Schneeflocke schnell eine ganze Lawine. Und auch überraschend: wie schnell man aufgrund von Andersfarbigkeit in die Gefahr einer Abschiebung kommen kann, obwohl man weiß ist und in der Überzahl. Gründlichkeit ist hier wohl kein Grund. Es liegt ja gar kein Schnee. Der einzelne hätte das wohl bemerkt. Ich entscheide mich lieber für eine weiße Weste und streue ein.